: Schnell die Schäfchen ins trockne
■ Amtierende Minister haben rechtzeitig vor dem Machtwechsel in Bonn noch Mitarbeiter befördert, angeblich per Regelbeförderung. Computer im Kanzleramt sollten gelöscht werden
Bonn/Hamburg (dpa) – Offenbar noch rechtzeitig vor dem Machtwechsel in Bonn hat die amtierende Regierungskoalition zahlreiche Mitarbeiter befördert. Die Bundesregierung bestätigte am Wochenende indirekt Presseberichte, sprach aber von „Regelbeförderungen“. Die Minister segneten laut Bild am Sonntag am Mittwoch nach der Bundestagswahl noch rund 70 Beförderungen ab, durch die auch „zahlreiche verdiente Parteifreunde im Beamtenapparat versorgt“ wurden. Nach Spiegel-Angaben war zudem eine Computerlöschaktion im Bundeskanzleramt geplant. Aus dem Kanzleramt hieß es dagegen gestern, eine solche Weisung habe es nicht gegeben.
Regierungssprecher Otto Hauser hatte bereits vorige Woche eingeräumt, daß es Beförderungen gegeben haben könnte. Er bestätigte, daß der Tagesordnungspunkt „Personalien“ ohne Aussprache behandelt worden sei. Er verwies darauf, daß es Brauch sei, darüber nicht öffentlich zu berichten. „Wenn es solche Beförderungen gegeben haben sollte, dann sind es meines Wissens nach Regelbeförderungen“, sagte Hauser.
Das Bundeswirtschaftsministerium dementierte gestern Behauptungen über Beföderungen. „In unserem Ministerium hat es nach der Wahl keine einzige Beförderung gegeben“, sagte eine Sprecherin. Nach Angaben von Bild am Sonntag schoß Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) jedoch den Vogel ab. „Allein er paukte 18 Beförderungen aus seinem Haus durchs Kabinett, machte vier Ministerialräte zu Ministerialdirigenten“, berichtete das Blatt.
Aus dem Bundespresseamt sind laut Spiegel fünf Regierungsdirektoren zum Ministerialrat gekürt worden, im Innenministerium drei, im Landwirtschaftsministerium zwei und in Kanzleramt und Finanzministerium je einer. Auch Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) ließ sich danach nicht lumpen: So sei ein Pressesprecher noch schnell vom Referatsleiter zum Unterabteilungsleiter für den Bereich „Beschäftigung und soziale Integration von Ausländern“ befördert worden, obwohl die Auflösung dieser Unterabteilung für das kommende Jahr schon beschlossen sei. Bild am Sonntag zitiert ein Mitglied des Personalrats: „Der künftige Arbeitsminister Riester findet ein leergefegtes Büro vor.“ SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping sagte dazu: „Dieses Versorgungsdenken für Parteigänger ist stillos und teuer für den Steuerzahler.“
Wie der Spiegel weiter berichtet, hatte die Leitung des Bundeskanzleramts eine nächtliche Computerlöschaktion vor dem Einzug des künftigen Kanzlers Schröder geplant. Bereits in der Nacht zum Mittwoch habe die Amtsleitung diskret die Festplatten sämtlicher Computer im Hause löschen lassen wollen. Als in einer der sechs Abteilungen der Auftrag an die Mitarbeiter erging, eilends noch wichtige Dateien zu kopieren, wurde der Personalrat aufmerksam und protestierte. „Es ist unzutreffend, daß es im Kanzleramt eine Weisung gegeben habe, die Festplatten sämtlicher Computer löschen zu lassen“, erklärte ein Kanzleramtssprecher gestern. Löschungen würden alle drei bis sechs Monate routinemäßig durchgeführt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen