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Kühlschrank an der Kirchenallee

Das Schauspielhaus bekommt einen neuen Intendanten: Tom Stromberg übernimmt die Leitung des Hauses im Sommer 2000  ■ Von Eberhard Spohd

Tom Stromberg wird der neue Intendant des Deutschen Schauspielhauses. Der Aufsichtsrat des Theaters hat gestern mit großer Mehrheit Kultursenatorin Christina Weiss (parteilos) beauftragt, dem Vorschlag der Findungskommission zu folgen und die Vertragsverhandlungen mit dem 38jährigen aufzunehmen. Der gebürtige Wilhelmshavener, dessen Vater schon Theaterintendant war, übernimmt das Haus an der Kirchenallee im Sommer des Jahres 2000 vom scheidenden Leiter Frank Baumbauer.

„Es ist einfacher, ein marodes Haus zu übernehmen und einen Neuanfang zu machen, als ein blendend laufendes Theater zu übernehmen“, beschreibt der Wunschkandidat von Weiss seine schwere Aufgabe diplomatisch. Das Schauspielhaus gilt zwar als eines der besten und innovativsten Theater im deutschsprachigen Raum – in den vergangenen vier Jahren wurde es dreimal zum deutschen „Theater des Jahres“ gewählt –, steckt aber in finanziellen Schwierigkeiten.

Die sind Stromberger bekannt. „Der Neue wird hier einen leeren Kühlschrank und eine Speisekammer mit nichts drin vorfinden“, beschrieb Baumbauer vor einiger Zeit die Situation im Schauspielhaus. Er befürchtet, daß die Rücklagen in St. Georg im Jahr 2000 aufgebraucht sein werden. Davor ist seinem Nachfolger allerdings nicht bange: „Das bin ich gewohnt, mein Kühlschrank ist immer leer“, äußerte er sich gestern, als er mit der Aussage Baumbauers konfrontiert wurde.

Eines ist ihm jedoch auch klar: Seitdem die drei Staatstheater – Thalia, Hamburgische Staatsoper und eben das Schauspielhaus – zu GmbHs umgewandelt wurden, muß der jeweilige Intendant mit seinem Budget auskommen. Dafür sorgen schon die Aufsichtsräte, die vierteljährlich die Finanzen überprüfen und Defiziten frühzeitig gegensteuern sollen. Eine mögliche Lösung der wirtschaftlichen Probleme sieht Stromberg darin, Sponsoren in die Finanzierung der Inszenierungen mit einzubeziehen: „Wenn die Zuwendung der Kulturbehörde als Hauptsponsor ein zuverlässiger Sockel ist, kann man über ergänzende – ergänzende! – Zuwendungen sprechen.“

Zur künftigen Ausrichtung der größten deutschen Sprechbühne mochte sich Stromberg, zur Zeit Künstlerischer Leiter des Kulturprogramms der Expo 2000 in Hannover, nur vage äußern: „Das Schauspielhaus ist das Flaggschiff der deutschen Theaterszene. Aber wir müssen mehr junge Leute ins Theater holen, ohne das Abonnementspublikum zu verschrecken“, plant er ambivalent. Er wolle das Haus weiter als Ensemble- und als Repertoiretheater führen: „Ich bin nicht nur der Gastspiel- und Festivalheini, der nur einkaufen geht“, verwies er auf seine zehnjährige Tätigkeit im Theater Am Turm in Frankfurt, wo er nicht nur Fremdproduktionen gezeigt habe. Immerhin, so Stromberg, „habe ich auch über 80 Stücke selbst produziert“.

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