: Schönbohm: Bosnien „friedlich wie Oberbayern“
■ Bei Anhörung im Innenausschuß erneut heftige Kritik an Abschiebung bosnischer Flüchtlinge
„Es gibt Gebiete in Bosnien, die sehen so friedlich und gepflegt aus wie Oberbayern.“ Mit diesen Worten begründete Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) gestern vor dem Innenausschuß des Abgeordnetenhauses, warum er Bürgerkriegsflüchtlinge „auch in Zukunft zwangsweise zurückführen“ will. Wer ausschließlich auf eine freiwillige Rückkehr setze, habe „ein zu idealistisches Bild vom Menschen“, sagte Schönbohm. Die Abschiebungen sollen nach den Worten des Senators auch weiterhin über den Flughafen von Sarajevo „in den Gesamtstaat Bosnien-Herzegowina“ erfolgen. Bei seiner Bosnien-Reise in der vergangenen Woche habe er den Eindruck gewonnen, daß eine Rückkehr in die serbisch dominierte Republika Srpska sowohl direkt als auch auf dem Umweg über die kroatisch- bosnische Föderation „grundsätzlich möglich“ sei.
Schönbohm verteidigte erneut die umstrittene Abschiebung von 74 bosnischen Flüchtlingen am 9. und 10. Juli. Er schloß jedoch „überhaupt nicht aus, daß Fehler gemacht wurden“. Auch mit dieser „schaumgebremsten“ Diktion des Senators wollte sich der innenpolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Wolfgang Wieland, freilich nicht zufriedengeben. „Die ganze Abschiebeaktion war nicht nur ein Fehler, sie war ein Skandal“, sagte Wieland, „sie sollte Furcht und Schrecken verbreiten.“ Die Innenverwaltung habe „diese Massenabschiebung bewußt an der Rechtsweggarantie vorbei geplant“. Der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht, Percy MacLean, bestätigte, die gesetzlichen Fristen seien „in allen Fällen mißachtet“ worden. Auch der künftige SPD- Bundestagsabgeordnete Eckhardt Barthel verlangte, „daß sich so eine Aktion nicht wiederholt“. Die PDS-Abgeordnete Karin Hopfmann kritisierte, daß Schönbohm den Versprechungen der Republika Srpska Glauben schenke.
Die Ausländerbeauftragte Barbara John sprach sich erneut für Rückkehrprogramme aus. „Wir müssen vernünftige Programme machen“, sagte sie. Es gebe bereits eine Liste mit Projekten für die „ortsbezogene, begleitete Rückkehr“ von weiteren 4.000 Flüchtlingen, die aber finanziell noch nicht abgesichert seien. Zugleich forderte John ein „Abschiebemoratorium“ für alle Flüchtlinge, die an solchen Programmen teilnehmen wollen. Ralph Bollmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen