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Hohe Schule der Bilanzen

Defizite der VHS: Abschließender Prüfbericht bescheinigt Pfusch und schlechte Organisation des Finanzwesens  ■ Von Judith Weber

Schuld am Millionendefizit der Hamburger Volkshochschule sind Pfusch und schlechte Organisation im Finanz- und Rechnungswesen. Außerdem fehlt es an kompetenter Steuerung und einem wirkungsvollen Controlling. Das ist der Tenor eines abschließenden Prüfberichts, den die Unternehmensberater der Firma „KPMG Deutsche Treuhand Gesellschaft“ vorgelegt haben.

Nach dem Gutachten ist der ehemalige Direktor Rudolf Camerer zumindest mitverantwortlich für den Schuldenberg des Unternehmens. Denn „ihm obliegt die Aufgabe, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Führung der VHS als Wirtschaftsbetrieb ermöglichen“, heißt es im Prüfbericht.

Camerer, der gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, hatte vor wenigen Wochen in der Presse behauptet, er sei von seiner Finanzabteilung nicht schnell und umfassend genug über Geldprobleme informiert worden. Außerdem habe es unterschiedliche Versionen der Jahres- und Quartalsabschlüsse gegeben: eine für die Finanzabteilung und eine geschönte für die Leitung der Volkshochschule. „Diese Verdachtsmomente bestätigten sich nicht. Eine aktive Täuschungsabsicht von Mitarbeitern wurde nicht festgestellt“, resümiert nun die KPMG, deren ExpertInnen seit Herbst 1997 im Auftrag der Bildungsbehörde in Akten und Abteilungen der VHS gegraben haben.

Bestätigt haben sich allerdings einige Vorwürfe, die sowohl Camerer als auch der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Wolfgang Drews erhoben hatten. Beispielsweise wurden Honorare von KursleiterInnen, deren Seminare von September bis Februar gingen, munter ins neue Jahr gebucht. Die VHS mußte so später zahlen und merkte nicht sofort, wieviel Geld fehlte. Die Hamburger Finanzbehörde, die sämtliche Jahresabschlüsse des staatlichen Bildungsträgers prüft, hatte dieser Methode zugestimmt, so die KPMG. Auch Camerer habe davon gewußt.

Außerdem fehlte in der Bilanz von 1996 der wichtige Posten „uneinbringbare Forderungen“, eine Art Ausgleichstopf für Rechnungen, die zwar geschrieben, aber nicht bezahlt werden. Das wurde 1997 korrigiert – und belastete den Haushalt mit 136.000 Mark.

Wie so etwas passieren kann, ist auch nach dem Prüfbericht unklar. „Man wird es vermutlich vergessen haben“, zuckt Achim Meyer auf der Heyde, Leiter des Amtes für Weiterbildung, mit den Schultern. Seine Freude über die „positive“ Analyse kann dieser Makel nicht trüben: „Wir sind froh, daß sich die Vorwürfe von Herrn Camerer nicht bestätigt haben.“ Jetzt gelte es, die Schwachstellen zu beseitigen.

Dazu gehört auch die Vergabe des Direktorenjobs. Seit Camerer Ende August gekündigt hat, ist die Stelle frei. Mitte November soll der Vorstand darüber beraten, wer die Volkshochschule mit ihren rund vier Millionen Mark Schulden leiten soll – sowohl pädagogisch als auch kaufmännisch.

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