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Früher die Stabilsten und Besten

Malaysias Premier ist entgegen seiner Selbsteinschätzung zu einem Wirtschaftsrisiko für das ehemalige Musterland geworden. Der Mittelstand spart  ■ Aus Kuala Lumpur Jutta Lietsch

Nach wie vor ist Malaysia ein berechenbarer Kandidat“, urteilt Rolf Mugrauer von der Firma Siemens Nixdorf in Kuala Lumpur. Der deutsche Kaufmann gibt sich entspannt. Für ausländische Investoren sei das Land noch immer den Nachbarn Thailand oder Indonesien weit voraus: „Hier gibt es die beste Infrastruktur, das beste Telekommunikationssystem und großzügige Straßenverbindungen.“ Auch das Bankenwesen sei stabiler als in vielen anderen Ländern der Region.

Gut vier Wochen ist es her, seit Malaysias Premierminister Mahathir Mohamad seine umstrittenen Entscheidungen bekanntgab, die sein Land vor den Erschütterungen der globalen Wirtschaftskrise retten sollen: Er knüpfte den Wechselkurs des malaysischen Ringgit fest an den US-Dollar. Um sie vor den Attacken internationaler Devisenspekulanten zu schützen, verbot er zudem den Handel mit der malaysischen Währung im Ausland. Die malaysische Zentralbank senkte die Zinsen, damit sich heimische Unternehmen wieder Kredite leisten können.

Mit diesen Methoden will Mahahthir sein 22-Millionen-Einwohner-Land aus der Rezession bugsieren. Denn in diesem Jahr wird die ehemalige Boom-Ökonomie um rund 5 Prozent schrumpfen, die Preise dürften um rund 8 Prozent steigen. Obwohl der wirtschaftliche Absturz nicht vergleichbar mit dem in den Nachbarländern ist, stehen auch in Malaysia immer mehr Baustellen und Fabriken still.

Noch leiden vor allem ausländische Arbeitskräfte – Zehntausende wurden bereits abgeschoben, und die Regierung hat neue Kampagnen gegen legale und illegale Gastarbeiter angekündigt. Aber auch die malaysische Mittelschicht beginnt den Druck zu spüren und spart: „Wir essen weniger Fleisch und verschieben größere Anschaffungen“, sagt die Theateragentin Indra Kukathas.

Ob der wirtschaftliche Kurs von Premier Mahathir erfolgreich sein kann, ist umstritten. Der Siemens- Nixdorf-Manager Mugrauer kann den allenthalben kritisierten Devisenkontrollen allerdings Positives abgewinnen. Mit festen Wechselkursen ließen sich nun wieder die Kosten für Importe über mehrere Monate voraussehen, meint er: „Wir haben mehr Planungssicherheit.“ Dennoch laufen die Geschäfte schlecht. Der Umsatz seiner Branche fiel in den letzten Monaten um die Hälfte, weil die Leute an Computern sparen.

Mugrauers Kollegen sind pessimistisch: „Wir werden bald eine massive Kapitalflucht und einen riesigen Devisen-Schwarzmarkt haben“, fürchtet zum Beispiel ein malaysischer Geschäftsmann.

Doch es sind mehr die politischen Ausfälle des Dr. Mahahtir als die Währungskontrollen, die in- und ausländische Investoren derzeit irritieren. „Politische Stabilität“, sagt ein EU-Diplomat, sei bislang eines der wichtigsten Motive gewesen, nach Malaysia zu kommen. Damit scheint es vorbei, seit der Regierungschef seinen früheren Vizepremier und Finanzminister Anwar Ibrahim wegen angeblicher Homosexualität feuerte – und nicht einmal verhinderte, daß der Politiker nach seiner Verhaftung von Polizisten verprügelt wurde.

Der monatelang schwelende Konflikt zwischen dem Premier und seinem Stellvertreter erreichte so seinen Siedepunkt: Während Mahathir nach dem Ausbruch der Krise alle Schuld für die malaysische Misere „ausländischen Spekulanten“ und „dem Westen“ gab, setzte sich Anwar für eine Finanzpolitik ein, die den Rezepten des Internationalen Währungsfonds folgte. Dazu gehörte, einige der großen Infrastrukturprojekte wie den umstrittenen Bakun-Staudamm auf Borneo oder das längste Kaufhaus der Welt in Kuala Lumpur aufzuschieben. Die Projekte waren jedoch Herzensangelegenheiten des Regierungschefs. Nun hat Mahathir viele Zuständigkeiten seines Exministers selbst übernommen. Der malaysische Wirtschaftsprofessor Jomo Kwame Sundaram: Mahathir sei „ehrlich davon überzeugt, daß er das Beste ist, was Malaysia jemals hatte und sich erhoffen könnte“. Diese Meinung teilen allerdings immer weniger seiner Landsleute.

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