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Kaleidoskop der 20er

■ Die Staatsbibliothek dokumentiert „Hamburgs Durchbruch zur Moderne“

Der umtriebigen Hamburger Variante der Moderne in Kunst und Kultur widmet sich eine Ausstellung in der Staats- und Universitäts-bibliothek. Unter dem hochgesteckten Titel „Hamburgs Durchbruch zur Moderne“ versammelt die Schau höchst sehenswertes Material aus den zwanziger Jahren. Blickfang sind die Büsten einzelner hamburgischer Väter der Moderne, wie Max Warburg, Fritz Schumacher und die des Dichters Richard Dehmel.

Als wichtigster Mentor und Anstifter der lokalen Kunstszene entwickelte sich aber der Schriftsteller und Journalist Hans W. Fischer. Er begleitete die aufkeimenden Experimente im Feuilleton der Neuen Hamburger Zeitung und scharte die Künstlergemeinschaft wöchentlich zur „Tafelrunde“ in einem Alsterlokal um sich. Das Multitalent Hans Leip gehörte dazu und der spätere Hollywood-Regisseur Douglas Sirk, der damals noch Hans Detlef Sierck hieß. Als Fischer 1923 der Stadt den Rücken kehrte, hatte er Akzente gesetzt und hinterließ außerdem seinen Hamburger Kulturbilderbogen, eine Kulturgeschichte von 1909-1922.

Der mittlerweile zur antiquarischen Kostbarkeit gewordene Abriß über Literatur, Theater, Tanz und anderen Künsten im Gewand der Moderne, dient nun den drei Ausstellungsmachern Kai-Uwe Scholz, Matthias Mainholz und Rüdiger Schütt wieder als Ideengeber für ihr Kaleidoskop der Zwanziger. Darin finden sich Plakate und Photos der legendären, drei Tage währenden „Kostüm-, Künstler- und Mäcenaten-Feste“ im Curio-Haus, Bücher und Archivalien zur Reformpädagogik, Architektur und Literatur.

Hervorgehoben, entsprechend ihrem damaligen Status, wird die Tanz- und Bewegungskunst: Skurile Tanzmasken, die zu einem Ganzkörperkostüm gehörten, stehen als bestechende Leitfossilien einer bestimmten Lesart von Moderne. Um sich deren Ambivalenz zu nähern, ist eine von den Hamburger Museen schon lange geplante Gesamtschau eigentlich überfällig. Diese gelungene Ausstellung gibt die Vorlage. Thomas Schulze

bis 14. November, Staatsbibliothek, Von Melle Park 5. Begleitbuch: „Hans W. Fischer: Hamburger Kulturbilderbogen: eine Kulturgeschichte 1909-1922“, neu hrg. u. kommentiert von Kai-Uwe Scholz u.a., Dölling und Galitz, Hamburg 1998. 192 Seiten, 48 Mark

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