: Spanglish und ein süßer wackelnder Hintern
■ Ein brillianter Mangu kreuzte mit seiner Band im Moments Samba und Sprechgesang
Ein kleiner Mann im schlecht sitzenden weißen Anzug mit Zigarre, Sonnenbrille und Strohhut, der Samba und Hip Hop kreuzt? Kann das gut gehen? Es kann, und zwar sehr gut, wie das Konzert des dominikanisch-stämmigen Amerikaners Mangu im Moments zeigte. „La Playa“ hieß der Hit, mit dem der Musiker, der mittlerweile in Miami arbeitet, im Spätsommer auch in Europa auf sich aufmerksam machte. Ein schlaues Tanzstück, bei dem Mangu über geschickt kombinierte Konga- und Drumcomputergrooves toastet, rappt und singt, bis ein knalliger Samba-Refrain den Song endgültig in den Olymp der Partyhymnen katapultiert. „La Playa“ ist das bislang populärste Stück einer Bewegung unter den US-Latinos, die eigene Musiktradition mithilfe des Rap zu modernisieren, ohne sie zu verraten.
Mangus Rolle bei dieser Tour ist deshalb eine undankbare. Er soll nach dem Überraschungserfolg in Europa mit einer Reihe von Clubgigs einen Musikstil populär machen, den hierzulande noch keiner kennt und dazu auch noch Eigenwerbung betreiben – aber dabei, so die Plattenfirma, bitte nicht so teuer sein. Die echten Bläser und Streicher, die eigentlich für die opulenten Arrangements seiner Songs nötig wären, kamen deshalb im Moments aus dem DAT-Recorder.
Aber Mangu, sein Basser und seine beiden Latino-Percussionisten sorgten auch so bei den rund 80 Zuhörern für das nötige Live-Gefühl. Schon optisch überzeugte die Band: Mangu, der Strohhut-Galan, ein Mitstreiter im eleganten Hemd, einer, der mit seinem Riesenschnautzer aussah wie Cheech Martin, und ein wild trommelnder Mestitze. Den Samba-Groove entfesselten sie ein ums andere Mal, besonders eindrucksvoll in den Momenten, wenn die Hintergrund-Tapes pausierten. Aber auch die Synthese aus Computer und Konga funktionierte live. Die Band knallte Mangus kurze und kompakt arrangierte Stücke mit einer wohltuenden Spielfreude raus, die kleine Unzulänglichkeiten beim Soundmix vergessen ließen. Dieser Mangu-Sound war nicht so glatt und perfekt wie die in ein perfektes Musikbett eingefaßte Samtstimme von der Platte, aber sie hatte Power.
Und außerdem hat Mangu irgendwo den großartigen Pacito aufgegabelt. Der fette Alfred Hitchcock-Lookalike saß cool hinter dem Piano und ließ sich beim Jammen von einem winzigen Ventilator kühlen. Pacito drehte sich Zigaretten und rauchte sie mit unnachahmlicher Souveränität, während er punktgenau ein paar gewitzte Ackorde zum Latino-Hip-Hop beisteuerte.
Und wenn Mangu nach einem gelungenen Solo oder einem raffinierten Fill-In von Pacito zum Piano tanzte, dann strahlte der moppelige Pianist bis über beide Ohren. „Mi familia“ nannte Mangu seine Jungs auf der Bühne – eine Truppe, die sich mit gegenseitigem Respekt und wechselseitigem Anfeuern in Rage spielte.
Deshalb konnte sich auch der wendige Entertainer Mangu hervorragend austoben. Er hatte nicht nur die Band im Griff, bestimmte mit Blicken und Gesten die Dramaturgie der Improvisationssessions. Er setzte mit seiner Stimme präzise Akzente und bewies dabei viel Witz und Melodiegefühl. Halb war es englisch, was die winzige Gestalt da vor sich hin reimte, halb war es spanisch. „Spanglish“ nennen es die Latinos, die in den Estados Unidos aufgewachsen sind. Meistens ging es es um Mangus „Chulo“, also um seinen süßen Hintern, mit dem er dann auch eifrig wackelte, aber auch um die Polizei, die Armut und die Träume vom Reichtum. In diesem Kontext störten selbst die beiden leichtbeschürzten Tänzerinnen nicht, die das bunte Chaos auf der Bühne komplettierten. „Laß ihn doch,“ dachte man sich dabei, „Wenn er das braucht.“ Am Feuer der Musik änderte das überhaupt nichts.
Nach einem Haufen toller Tanznummern folgte der letzte Killer im Zugabeblock. Mangus Truppe spielte einen Klassiker der Hip Hop-Geschichte an: „Rappers Delight“ von der Sugarhill Gang, ein Bassriff, den jeder kennt, sobald er ihn hört. Aber Basser und Percussionisten machten was Neues daraus: Einen herrlich schmierigen Mambo, der wunderbar subtil groovte. Die neue, heiße Rap-Generation huldigte so der alten Schule. Es war großartig, das zu hören und sehen. L.R.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen