: Mit gebremster Energie zur Ökosteuer
■ Heute verhandeln SPD und Grüne über die Einführung von Ökosteuern. Die Anhebung der Mineralölsteuer ist Konsens. Bei der Energiesteuer drängt die SPD auf mehrere Ausnahmen
Berlin (taz) – Der Ort ist schlecht gewählt. Ausgerechnet in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen treffen sich SPD und Grüne heute in Bonn, um über die Einführung von Ökosteuern zu beraten. In kaum einem anderen Bundesland sind die Widerstände gegen Energiesteuern größer: Die Kohlelobby ist stark, die Industrie traditionell auf hohen Energieverbrauch ausgerichtet, Politik und Energiekonzerne sind eng verzahnt, und die rot-grüne Regierung steht wegen des Streits um den Braunkohletagebau Garzweiler dicht vor der Grube.
Daß Ökosteuern kommen sollen, ist Beschlußlage beider Parteien. Und auch das Prinzip ist unumstritten: Der Staat erhebt Steuern auf den Verbrauch von konventioneller Energie und senkt mit den Einnahmen daraus die Lohnnebenkosten: Energieverbrauch wird teurer, Arbeitskraft billiger. Für die Senkung der Lohnnebenkosten um einen Prozentpunkt, so die Kalkulation in den verschiedenen Ökosteuer-Modellen, braucht der Staat Einnahmen von 15 bis 17 Milliarden Mark jährlich. Um dieses Geld einzunehmen, hat er drei Möglichkeiten: eine Erhöhung der Mineralölsteuer, die Erhebung einer Energiesteuer auf den Verbrauch fossiler oder atomarer Brennstoffe oder den Abbau umweltschädigender Subventionen.
Ökosteuern sollen „aufkommensneutral“ sein: Was der Steuerzahler über den höheren Benzin- und Strompreis zahlt, bekommt er über niedrigere Sozialversicherungsbeiträge und einen dadurch erhöhten Nettolohn zurück. So weit die Theorie. In der Praxis aber zählt vor allem die Frage, wie das Geld für die Senkung der Lohnnebenkosten zusammenkommen soll. SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder hat erklärt, mit ihm werde es höchstens eine Benzinpreiserhöhung um sechs Pfennig geben. Umgerechnet bringt das etwa 4,3 Milliarden Mark ein, was zu einer Senkung der Lohnkosten um 0,3 Prozent führen könnte.
Ziel der SPD ist aber eine Senkung der Lohnnebenkosten um ein bis zwei Prozent. Die Grünen wollen nach Aussagen ihrer energiepolitischen Sprecherin Michaele Hustedt im Koalitionsvertrag festschreiben, daß während der Legislaturperiode die Lohnnebenkosten jedes Jahr um einen Prozentpunkt gesenkt werden. Zur Finanzierung dieser vier Prozent braucht es etwa 70 Milliarden Mark.
Woher nehmen? Gerd von der Groeben von der Arbeitsgruppe Umwelt der SPD findet, beim Benzinpreis könne man in Deutschland noch nach oben gehen. „Wir liegen derzeit im unteren Drittel der EU.“ Auch der wirtschaftspolitische Sprecher Ernst Schwanhold verweist auf einen Vorschlag der SPD aus dem vergangenen Jahr. Demnach soll die Steuer auf Benzin um 10 Pfennig erhöht werden, Heizöl und Erdgas um 2,5 Pfennig pro Kubikmeter teurer werden. „Das ist mit uns so nicht machbar, weil die umweltschädlichere Kohle fehlt“, kritisiert Hustedt. Ihr gehe es vor allem darum, langsam in die Ökosteuer einzusteigen und um Akzeptanz in der Bevölkerung zu werben.
Bei den Subventionen gibt es nach SPD-Ansicht Kürzungsmöglichkeiten nur bei den Agrarzuschüssen – dagegen nicht bei den Kohlesubventionen. Diese Hilfen sind bis zum Jahr 2005 festgelegt. „Da ist nichts zu machen“, sieht auch Hustedt ein.
Was bleibt, ist die Energiesteuer. Die Grünen wollen den Einsatz von Energie nach Umweltschädlichkeit gestaffelt besteuern – Gasverbraucher zahlen am wenigsten, Braunkohleverbraucher am meisten. Die SPD wiederum will direkt nur Heizöl und Gas mit Abgaben belegen und ansonsten den Stromverbrauch besteuern, um den Kohleverbrauch nicht direkt zu belasten. Der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer fordert, Flug- und Schiffsbenzin in Zukunft zu besteuern und auch „die Steuerprivilegien für fossilen und atomaren Strom abzuschaffen“. Das könne soviel einbringen wie die Erhöhung des Benzinpreises um 20 Pfennig.
Grundsätzlich steht die SPD einer Energiesteuer mißtrauisch gegenüber, weil sie die Unternehmen belasten könnte. NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement hat erklärt, eine ökologische Steuerreform brauche „eine europäische Antwort“. Die skandinavischen Länder, die Niederlande und Österreich haben bereits Formen von Ökosteuern eingeführt. „Es würde die Entwicklung in Europa sehr voranbringen, wenn Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft im nächsten Jahr mit einem Beschluß zur Ökosteuer antreten könnte“, hofft Hustedt.
Auch Gerhard Schröder ist kein Freund von Energiesteuern. Rechtzeitig zum Beginn der Koalitionsverhandlungen errechnete das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen im Auftrag der Energiekonzerne RWE und Veba und der niedersächsischen Staatskanzlei, daß Ökosteuern als Jobkiller fungierten. Statt des von anderen Instituten und dem Umweltbundesamt erwarteten Zuwachses von bis zu 800.000 Arbeitsplätzen errechnete das RWI einen Verlust von 350.000 Jobs. Von der Steuer müßten die energieintensiven Industrien ausgenommen werden, autofahren dürfe nur geringfügig teurer werden – Forderungen, die sich die SPD zu eigen gemacht hat und die von den Grünen nicht grundsätzlich abgelehnt werden.
Für sie ist auch ein Einstieg in die Energiesteuern bei privaten Verbrauchern ein kleiner Erfolg. Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin widerspricht der These, die Ökosteuern würden „Deutschland deindustrialisieren“. Selbst bei den energieintensivsten Segmenten, etwa der chemischen Industrie, komme es zu einer Kostensteigerung von höchstens drei bis vier Prozent. Die Gewinner der Reform seien dagegen die Branchen für Maschinenbau, Luft- und Raumfahrttechnik, Optik, Elektrotechnik und selbst die Autoindustrie – „all die Flaggschiffe der deutschen Exportwirtschaft“. Bernhard Pötter
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