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Es war einmal in Almanya

Der Darmstädter Rafet El Roman will mit softem Italo-Image der erste türkische Mainstream-Popstar in Deutschland werden. Aber besteht Bedarf nach einem „getürkten“ Eros Ramazotti? Auch eine Einwanderersaga  ■ Von Zonya Dengi und Daniel Bax

Mozzarella mit Tomaten oder Schafskäse mit Oliven? Italienisch oder türkisch? Die Kellnerin kann mit beidem nicht recht dienen – so kosmopolitisch ist die Küche nicht. Am Ende gibt es für Rafet El Roman nur eine komische Kombination aus Schafskäse, Tomaten, Brötchen und Honig zum Frühstück im Café Adlon am Berliner Adenauerplatz. Na egal. Ausgeruht und gesprächig ist der Sänger, obwohl sein Terminkalender ihn schon früh aus dem Bett und durch Berlin scheucht – zur üblichen Tour durch TV-Shows und Radiosender, zu Interviews und Kurzauftritten. Da muß jeder durch, der vorhat, ein Popstar zu werden.

Das ist der in Darmstadt aufgewachsene Sänger zwar längst. Allerdings nicht in Deutschland, sondern bislang nur in der Türkei. Dort, in der Heimat seiner Eltern, landete Rafet El Roman vor gut fünf Jahren seinen ersten Hit, „Sorma Neden“. Zwei Alben produzierte er, etliche Male führte er die Charts an, heimste Musikpreise ein und füllte ganze Stadien. Mit softem, romantischem Repertoire surfte er mit auf jener plötzlichen Popwelle, die Anfang der Neunziger das Land an der Levante erfaßt hatte. Und ragte heraus in der Menge täglich neuer Popstar- Klone, weil er ein wenig anders war als alle anderen: Sein Sound klang wenig orientalisch, eher dem benachbarten Italopop verwandt. Seine Schiebermütze erinnerte an den Look der italienischen US- Einwanderer in den zwanziger Jahren, und der Kunstname „El Roman“ verwies in Richtung Rom. Selbst sein markanter deutscher Akzent, zunächst belächelt, kam ihm da als Distinktionsmerkmal zugute. In der Musikszene der Türkei, wo die Nachahmung erfolgreicher Popmodelle zur verbreiteten Stilform gehört, fiel es Rafet El Roman nicht schwer, aus dem Rahmen zu fallen, indem er ein ausländisches Vorbild kopierte.

Als eine Art türkischer Eros Ramazotti profitierte er vom weltweit gültigen Latin-Lover-Bonus – Italiener zählen in der Türkei schließlich als beliebteste Nation, ihnen fühlt man sich am Bosporus seelenverwandt. Für Rafet El Roman gilt das in besonderem Maße, wobei er für seine Affinität zu allem Italienischen auch biographische Gründe geltend machen kann. Sechs Jahre lang kellnerte er in einem italienischen Restaurant in Darmstadt, und seinen hessischen Freundeskreis beschreibt er als international. Doch die Musik seiner italienischen Freunde muß es ihm besonders angetan haben: Die Namen der italienischen Interpreten, die ihn inspiriert haben, sagt er mit beiläufiger Betonung auf wie Gerichte auf einer Speisekarte – Dalla, Rossi, Daniele, Nannini, Ramazotti.

Und sein Lieblingsfilm? „Es war einmal in Amerika“, natürlich. Am Beispiel der opulenten Einwanderersaga zieht Rafet Parallelen zwischen der Migration der Türken nach Deutschland und der Italiener in die USA, denn „die meisten, die damals nach Amerika ausgewandert sind, waren ja auch arme Leute aus den Dörfern“. Und Rafet weiß genau, was er geworden wäre, wenn seine Eltern nicht aus Edirne emigriert wären – ein Bauer, ein Feldarbeiter wie einst sein Vater. Gemeinsamkeiten aber auch in der Gegenwart, glaubt Rafet: „In Amerika erkennt man die Deutschen nicht mehr. Aber die Italiener erkennt man immer noch als Italiener. Die haben sich nicht amerikanisiert.“

Doch was er an den Italoamerikanern schätzt, sieht er in Deutschland, ganz guter Staatsbürger, eher kritisch. „Die Türken, die hier leben, haben den Deutschen nicht mehr geboten als Döner Kebap oder Raki, den Anisschnaps. Sie haben weder die Deutschen an sich herangelassen noch sich ihnen öffnen können, sondern sich immer nur in ihren eigenen Kreisen bewegt“, meint er und befindet kategorisch: „Ich finde, daß man sich dem Land, in dem man lebt, anpassen muß. Die neue Generation sieht da besser aus.“ Sich selbst sieht er durchaus als Prototyp: integriert und kosmopolitisch, aber seine türkische Seite nicht verleugnend. In der Beziehung zu Deutschland schlägt die volle Ambivalenz durch, einerseits ein Mustersüdländer, andererseits ein akzeptierter Teil dieser Gesellschaft sein zu wollen. Vielleicht geht das als Italiener tatsächlich besser. Nicht von ungefähr erinnert Rafet El Roman an jene Türken der zweiten Generation, die in deutschen Großstädten Pizzerien betreiben und sich als Italiener ausgeben, weil das besser ankommt – auch bei den Frauen.

Es war einmal in Almanya. Jedenfalls trägt Rafet im richtigen Leben eine ähnliche Mütze wie Robert De Niro in Coppolas Film, und die ist ihm zum Markenzeichen geworden. So sehr, daß er sich auch heute nicht von ihr trennen mag, auch wenn ihm manche dazu raten. „Man sagt mir, ich sollte meine Mütze in Europa ablegen, weil sie zu türkisch aussieht. Aber warum sollte ich das ändern, womit ich erfolgreich gewesen bin?“ fragt der Mann mit der Mütze. Ja, warum? Vielleicht, weil die Geschmäcker verschieden sind? Aber vielleicht nähern sie sich ja auch an?! Die Hoffnung besteht.

Vor dem Durchbruch in der Türkei hatte der Darmstädter es ja schon einmal zu Hause, in Deutschland, versucht. Und das ließ sich zunächst auch ganz gut an – 1992 kürte ihn der Saarländische Rundfunk zum aussichtsreichen Nachwuchstalent, im Rhein-Main- Gebiet machte er sich in der lokalen Szene einen Namen. Doch die Plattenfirmen winkten allesamt ab: türkische Texte, Türkenpop? Nein danke. Warum er es denn nicht mit englischen Songs versuchen würde? Rafet El Roman aber blieb starrköpfig bei seinem Stil und wich verärgert in die Türkei aus. Die Karriere dort kam dann keineswegs erwartet, sie entsprang eher dem glücklichen Zufall. Denn dem Darmstädter waren die türkische Musikindustrie und die Metropole Istanbul völlig fremd.

„Meine Angst vor Istanbul war groß, weil ich viele Filme gesehen hatte, in denen die Leute mit großen Träumen nach Istanbul kommen und in dieser Großstadt verlorengehen. Ich hatte Angst, als Tellerwäscher zu enden“, gesteht Rafet El Roman mit Blick auf die türkischen Kitschvideos seiner Kindheit. Damals wußte der gelernte Heizungsinstallateur nicht, wie selbstverständlich ihm der Blick auf den Bosporus einmal sein würde. Heute schauen die Fenster seiner Wohnung, die er mit Frau und Tochter besitzt, direkt auf das Meer. „Istanbul wird für manche zum Alptraum. Anderen erfüllt die Stadt alle Träume“, sinniert der Sänger, der seine Biographie als modernes Hollywood- Märchen begreift und in Zukunft gerne mal in einem Film mitspielen möchte.

Zunächst drängt es ihn jedoch zu neuen Ufern, zurück nach Deutschland. Inzwischen, glaubt er, ist man dort etwas offener geworden, und auch er selbst ist jetzt kompromißbereiter. Ein neues Mal ist der Dreißigjährige ins Studio gegangen, um seine Songs in englisch neu aufzunehmen, hat an seinen türkischen Liedern noch einmal gefeilt, damit sie auch deutschen Ohren nicht zu sperrig klingen, und einen Videoclip für die Single „Amerika“ gedreht. Da sieht man ihn, mit Cordmütze natürlich, in New York und in Istanbul, an einer US-Straßenecke musizieren oder im Cabrio-Oldtimer über die Bosporusbrücke flitzen. „Still we have a dream: America“, singt er den nostalgischen Migrantentraum. Cool ist das nicht, eher nett und niedlich.

Seine deutsche Plattenfirma hofft aus ihm den kommenden Ricky Martin zu machen, wenn nicht gar einen deutschen Khaled. Seine verschmusten Popschlager sollen der Deutschen Sentimentalität herauskitzeln. Man setzt auf ihn, weil sich seine Exotik innerhalb vertretbarer Grenzen bewegt. Rafet ist schließlich der europäischste unter seinen Kollegen; seine Musik hat wenig Türkisches, weder in der Instrumentierung noch im Gesang. Sicherheit statt Risiko.

Doch gerade das könnte auch sein Problem werden. Ob die Deutschen einen „getürkten“ Eros Ramazotti hören wollen, wo sie schon das Original kennen?

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