piwik no script img

Die Botschaft heißt Abriß

■ Senat will Bezirk Mitte zwingen, den Abriß der ungarischen Botschaft zu genehmigen, obwohl noch keine Ergebnisse eines Architektenwettbewerbs vorliegen. Baustadtrat geht in Offensive

Bausenator Jürgen Klemann (CDU) war sie schon immer ein Dorn im Auge, und auch für Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) soll sie nicht länger die „gute Stube“ Berlins am Pariser Tor verschandeln. Die Rede ist von der 1966 erbauten, denkmalgeschützten ungarischen Botschaft Unter den Linden Ecke Wilhelmstraße. Weil sich der Bezirk Mitte bislang geweigert hatte, an einem Architektenverfahren des Investors Roland Ernst teilzunehmen, will Strieders Staatssekretär Hans Stimmann nun Fakten schaffen. In einem Schreiben vom 6. Oktober wies Stimmann den Bezirk an, dem vorgesehenen Abbruch der ungarischen Botschaft „denkmalschutzrechtlich stattzugeben“.

Gemeinsam mit Roland Ernst hatte Strieders Verwaltung bereits im März dieses Jahres die Bedingungen für einen Denkmalabbruch formuliert. Wenn durch den Architektenwettbewerb die Vorlage eines „gestalterisch befriedigenden Ergebnisses für den beabsichtigten Neubau“ gewährleistet werde, könne der Stahlskelettbau, der zusammen mit der polnischen Botschaft in der Wilhelmstraße unter Ensembleschutz steht, aus der Denkmalliste gestrichen werden. Da ein denkmalpflegerischer Erhalt oder denkmalgerechter Umbau damit von vornherein ausgeschlossen war, hatte der Bezirk die Teilnahme an dem Verfahren abgelehnt. Darüber hinaus hat Mittes Baustadtrat Thomas Flierl (PDS) dem Senat am 2. Oktober angekündigt, daß der Bezirk Mitte in Übereinstimmung mit der bezirklichen Denkmalpflege dem Abbruchantrag nicht folgen werde.

Thomas Flierl war es auch, der gestern für den Erhalt der ungarischen Botschaft in die Bütt stieg. Für ihn steht der geplante Abriß auch im Zusammenhang mit dem Versuch, die städtebaulichen Zeugnisse der DDR-Moderne aus dem Stadtbild zu entfernen. Unterstützung erhielt Flierl dabei auch von der stellvertretenden Vorsitzenden des Landesdenkmalrats, Simone Hain. Hain erinnerte unter anderem daran, daß gerade die aus den sechziger Jahren stammende Architektur Unter den Linden eine Antwort auf den historisierenden Wiederaufbau des Lindenforums des Stalinismus gewesen sei.

Das letzte Wort in diesem selbst für Berliner Verhältnisse einzigartigen Verfahren hat nun die – bei Senator Strieder angesiedelte – oberste Denkmalbehörde. Doch deren Leiter, der Landeskonservator Helmut Engel, hat sich bislang sowohl geweigert, die Ablehnung der bezirklichen Denkmalpflege gegen den Abriß als auch die Abrißbotschaft von Staatssekretär Stimmann fachlich zu beurteilen. Uwe Rada

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen