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Die Luft für Milosevic wird dünner

■ Ein militärischer Einsatz der Nato in Jugoslawien rückt näher. Doch zuvor muß das Bündnis noch einen Konsens über die Aktion unter den Mitgliedsstaaten herstellen. US-Unterhändler Holbrooke zu letztem Ve

Berlin/Belgrad (taz/rtr) – Die Nato steht nach den Worten ihres Oberkommandeurs in Europa, General Wesley Clark, bereit, um in den Kosovo-Konflikt einzugreifen. Die Welt warte nun darauf, daß der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević einlenke, sagte Clark gestern in Neapel. Der britische Außenminister Robin Cook sagte der BBC, im Falle eines Militäreinsatzes der Nato sei nicht ein einzelner Schlag geplant, sondern mehrere aufeinanderfolgende, koordinierte Angriffe, um sicherzustellen, daß Milošević kein schweres Militär mehr im Kosovo einsetzen könne.

Frankreichs Außenminister Hubert Védrine sagte gestern vor dem Auswärtigen Ausschuß der Pariser Nationalversammlung, ein Militärschlag würde „von Perioden unterbrochen, in denen das politische Handeln wieder beginnt“. Nach den Plänen der Nato würden zuerst Radarstellungen der Serben mit auf US-amerikanischen Schiffen stationierten Marschflugkörpern angegriffen. Sollten bei anschließenden Verhandlungen keine Ergebnisse erzielt werden, würde es eine zweite Angriffswelle geben, bei der unter anderem die deutschen Tornado- Flugzeuge mit einer geheimgehaltenen Zahl anderer Nato-Flugzeuge die serbischen Flugabwehrstellungen außer Gefecht setzen.

In einer dritten Eskalationsstufe könnten über 400 Kampfflugzeuge breitgefächert militärische Ziele in Serbien bombardieren. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums könnte in Jugoslawien zum ersten Mal der Tarnkappenbomber B-2 zum Einsatz kommen. Neben zwölf der bereits zuvor eingesetzten F-117A-„Stealth“-Bomber stünden auch zwei B-2 für einen möglichen Nato-Einsatz bereit. Das auf Radar schwer zu ortende Flugzeug soll in der Lage sein, 18 Tonnen satellitengelenkter Bomben abzuwerfen.

Doch die hektischen Planungen können nicht darüber hinwegtäuschen, daß bis zu einem Nato-Einsatz noch einige Hürden zu überwinden sind. Zunächst müssen die Nato-Botschafter einen sogenannten Aktivierungsbefehl (activation order) erteilen. Das dafür notwendige Treffen wird für heute, spätestens aber für Montag erwartet. Durch diesen Aktivierungsbefehl werden die Truppenkontingente der Bündnispartner dem Nato- Oberfehlshaber in Europa für einen bestimmten Zeitraum und eine klar definierte Mission unterstellt.

Auf der Grundlage dieses Aktivierungsbefehls muß dann der Nato-Rat, das politische Entscheidungsgremium der Nato, den Einsatzbefehl erteilen. Jedoch gilt in der Nato das Konsensprinzip. Deshalb dürfte mit einer Entscheidung auch kaum vor Ablauf von vier Tagen zu rechnen sein, zumal Italiens Ministerpräsident Romano Prodi erst am Donnerstag seine Vorbehalte gegen einen Nato-Einsatz im Kosovo ohne ein UN-Mandat deutlich gemacht hatte.

Der US-Sondergesandte Richard Holbrooke überbrachte gestern dem jugoslawischen Präsidenten Milošević in Belgrad eine Liste von sechs Forderungen, die die Balkan-Kontaktgruppe am Vortag beschlossen hatte. Die Forderungen umfassen ein Ende der Gewalt im Kosovo, den Abzug aller Truppen, Bewegungsfreiheit für Hilfsorganisationen, eine Rückkehr aller Flüchtlinge, Zusammenarbeit mit dem UNO- Kriegsverbrechertribunal und Autonomieverhandlungen mit den Kosovo-Albanern. Die Erfüllung dieser Forderungen gilt als letzte Chance für Milošević, einen Nato- Militärschlag zu vermeiden.

Doch nicht nur für die Nato scheint ein Einsatz in greifbare Nähe zu rücken. Wegen der Gefahr von Luftangriffen hat der europäische Fußballverband Uefa jugoslawische Mannschaften angewiesen, Begegnungen mit europäischen Clubs auf neutralem Gebiet auszutragen. Der Verband hat bereits ein Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft zwischen Jugoslawien und Irland verschoben und ein Freundschaftsspiel zwischen England und Jugoslawien abgesagt. er/bo

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