piwik no script img

Ein Ministerium bleibt übrig

■ Sachsen legt wegen „freier Kapazitäten“ Umwelt und Landwirtschaft zusammen. Kritik und Zustimmung im Freistaat halten sich die Waage

Dresden (taz) – Da waren's nur noch neun: Am Donnerstag gab die sächsische Staatsregierung bekannt, daß die beiden Ministerien für Umwelt und Landwirtschaft zusammengelegt werden. „Die Entscheidung wird mit dem Ausscheiden von Umweltminister Arnold Vaatz zum 8. November wirksam“, erklärte Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Vaatz, der seit 1992 Umweltminister war, geht als Bundestagsabgeordneter nach Bonn. Er hatte sich als Spitzenkandidat der sächsischen CDU aufstellen lassen.

Amtsinhaber im neuen Ressort wird der bisherige Landwirtschaftsminister Rolf Jähnichen. „Der Minister hat gute Arbeit bei der Neuordnung der Landwirtschaft in Sachsen geleistet, die jetzt abgeschlossen ist“, erklärt Biedenkopf gegenüber der taz. Eine ganze Reihe von Aufgaben werden jetzt von Brüssel wahrgenommen, insofern hätte Jähnichen freie Kapazitäten.

„Ich finde diese Entscheidung eine Katastrophe“, sagt der bündnisgrüne Landesvorständler Stefan Schönfelder. „Wie soll ein bisheriger Staatsminister für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten denn künftig zusätzlich Naturschutz, Strahlensicherheit, Raumordnung, Abwasserwirtschaft, Emmissionsschutz oder Genproblematik managen?“ Die Grünen- Kritik verwundert: Heidrun Heidecke, bündnisgrüne Ex-Ministerin in Sachsen-Anhalt, führte doch ein solches Ministerium und erklärte, daß es „die ideale Kombination ist“. Schönfelder: „Heidecke ist von einem anderen Punkt aus gestartet. Bei ihr stand von Anfang an die Raumordnung – heute eines der prägendsten Politikfelder – im Mittelpunkt. Ich bezweifle, daß es dem Landwirtschaftsexperten Jähnichen gelingt, klare politische Aufgaben für die neuen Arbeitsfelder zu formulieren.“

„Die Zusammenlegung hätte viel eher passieren müssen“, kritisiert hingegen Thomas Meyer, Präsident des Bundes der Steuerzahler. Wenn der Schritt jetzt erfolgt, weil kein Minister mehr da ist, dränge sich der Verdacht auf, daß das Ministerium nicht nach Notwendigkeit, sondern in Abhängigkeit von Personen gebildet wurde.

Dagegen begrüßte der Landesbauernverband den Schritt. „Jetzt besteht die Chance, daß der Zündstoff aus beiden Ressorts rausgenommen wird und das Verständnis für das jeweils andere Aufgabengebiet wächst“, sagt Bauernverbands-Sprecher Manfred Böhm.

„Die Entwicklung hatte sich schon lange abgezeichnet“, sagt Jörg Urban, Geschäftsführer der Grünen Liga. Vaatz hätte mit seiner Politik das Umweltministerium in den letzten Jahren systematisch unwichtig gemacht. „Mit der Zusammenlegung ändert sich ja nichts wirklich, die Verwaltung bleibt davon unbeeinflußt“, so Urban. Der größte ostdeutsche Umweltverband hofft sogar, daß die Zusammenlegung eine Chance für die Umwelt ist. Urban: „Jähnichen könnte zeigen wollen, daß er auch als gelernter Landwirtschaftsminister etwas für die Umwelt bewegen kann.“ Nick Reimer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen