: Frauen sind das bessere Modell Von Sotscheck, Ringel und Rönneburg
Kein Wunder, daß die Iren als vernünftiges Volk gelten: Die ganze Frankfurter Buchmessenhalle 8 ist leer, nur die fünf mickrigen irischen Verlagsstände sind von 150 Fachbesuchern umlagert, die guten Whiskey in sich hineinschütten. Die benachbarten englischen Verleger schütteln derweil hinter ihren Ständen die Köpfe, während der Frankfurter Verleger G. Heimler – wegen seiner literarischen Umtriebe auch der „Bertelsmann von Bornheim“ genannt – sofort umsattelt: „Scheiß auf Bücher. Ich verlege mich auf Jameson.“
Auch eine Möglichkeit, den Messewahn zu überstehen: Gegenüber der taz verliest gerade ein komplett verrückter Dichter per Megaphon sein neuestes Theaterstück, dessen dramatische Höhepunkte der wiederholt ausgestoßene Schrei „Halleluja“ und das Zerknittern eines Plastikbechers sind. Nach der zweiten Flasche Prosecco am Morgen läßt sich auch die nebenan postierte zwölfköpfige peruanische Panflöten- Gruppe ertragen. Bestellt hat sie die „Assoziation linker Verlage“. „Kann man jemanden mit einem Poncho erwürgen?“ fragt Frau Rönneburg schon sehr verzweifelt und dreht sich mit steifem, weil verkühltem Hals wie eine Sonnenblume im Andenwind. Wolle er jemals foltern, sinniert Herr Seidel- Pielen, täte er's mit einer Panflöte.
Zur Einstimmung auf die Buchmessenhysterie hatte wieder mal Zeichner Tom die vernünftigste Idee und brachte seine legendäre 60er-Jahre-Quartett-Sammlung mit. Die ganze Bahnfahrt lang spielte die taz-Delegation Hollywoodauto-, Bagger- und Panzer- Quartett. Der 42.000 Kilo schwere Bagger schlägt den US-Panzer „General Patton“ trotz dessen Länge von 6,35 Meter (ohne Rohr). Nicht einmal die höhnische Bemerkung der Schaffnerin konnte den Kampf der Giganten stoppen: „Dann noch viel Glück beim Quartett, meine Herren.“
Die richtige Einstimmung für das, was noch folgen sollte: die traditionelle Titanic-Party in der Galerie Fruchtig, in deren Zentrum ein batmobilartiger Rennwagen in Orangemetallic stand, der keinesfalls berührt werden durfte, zu fortgeschrittener Stunde jedoch als Bierflaschenablage genutzt wurde. Die Galerie war – auch das ist Tradition – unbeheizt, was die Drogeriefachzeitschriftenchefredakteurin Christina Gottschall zu der Bemerkung veranlaßte: „Frauen frieren zwar früher, schwitzen aber später als Männer. Sie sind eben das bessere Modell. Ist auch klar: Sie müssen ja gebären.“ Mit diesen Worten drückte sie Herrn Sotscheck ihr Werk „Sport in der Schwangerschaft – Neun Monate fit und aktiv“ in die Hand. Ihr Eindruck war jedoch falsch: Herr Sotscheck hatte lediglich ausgiebig für den diesjährigen Bauchwettbewerb trainiert, verlor jedoch deutlich gegen Herrn Ringel, der auf wundersame Weise immer am Samstag der Buchmesse Geburtstag hat – egal, auf welches Datum dieser Tag fällt.
Am folgenden Tag kam die taz- Abordnung dennoch ihren Pflichten nach, schob sich durch die Hallen, plauderte mit Kollegen, lungerte lange vor verschiedenen Ständen herum und gelangte dennoch nicht in den Besitz eines CD- Rezensionsexemplars „Geräusche von Haushaltsgeräten als Einschlafhilfe für Kleinkinder“, die der Donna Vita Verlag in Ermangelung eines Kindesmißbrauch- Lackmus-Tests vertreibt. Schade.
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