: Frische Brise für die Windenergie
In der Lübecker Bucht und vor dem Ferienzentrum Damp sollen die ersten deutschen Off-shore-Windanlagen in die Ostsee gebaut werden. Hier gibt es keine Platzprobleme und stärkere Winde als an Land ■ Aus Kiel Heike Haarhoff
Um diesen wahrhaft frischen Wind aus dem Norden haben die Verfechter alternativer Energien seit Jahren gestritten, diesmal aber offenbar mit Erfolg: Nach Dänemark und den Niederlanden will jetzt auch Deutschland in die Off-shore-Windkraftnutzung einsteigen. Vor der Küste Schleswig-Holsteins in der Ostsee sollen in Kürze die ersten Windräder aus dem Meer sprießen und Strom liefern.
Geplant sind zwei maritime Windparks mit jeweils zehn bis fünfzehn Rotoren und einer Leistung von 30 bis 40 Megawatt. Zum Vergleich: Die Spitzenlast an einem klirrend kalten Wintertag in der 1,7-Millionen-Einwohner-Metropole Hamburg beträgt 2.000 Megawatt. Entstehen könnten die Anlagen in der Lübecker Bucht südlich der Sagasbank sowie östlich des militärischen Sperrgebiets vor dem Ferienzentrum Damp.
Die beiden Standorte sollen noch in diesem Winter durch ein sogenanntes vorgeschaltetes Raumordnungsverfahren auf ihre Tauglichkeit hin untersucht werden. Diesen Vorschlag werden die Landesplanungsabteilung und das Kieler Energieministerium gemeinsam dem schleswig-holsteinischen Kabinett präsentieren.
Ein Novum: Bislang war jede Diskussion um einen Einstieg in die ertragreiche Off-shore-Windenergienutzung letztlich an Einwänden von Umweltverbänden gescheitert. Kein Fleckchen Meeresboden, auf dem sich nicht ein seltenes Tier oder eine vom Aussterben bedrohte Pflanze gefunden hätte. Diesmal gingen die schleswig-holsteinischen Windenergie-Befürworter klüger vor: Auf einem „Workshop zur Standortsuche für Off-shore-Windpark- Pilotanlagen“ banden sie vorige Woche Industrie, Energieversorger, Anlagenbauer, Naturschützer, Tourismusbranche, Behörden und die Bundeswehr ein, die um ihre U-Boot-Tauchgebiete bangte. Ergebnis: Das Umweltministerium steht der Planung aufgeschlossen gegenüber, und selbst der kritische World Wildlife Fund (WWF) lehnte nicht sofort ab, sondern forderte eine begleitende Untersuchung der Vogelreviere.
„Natürlich spielt der Naturschutz eine außerordentlich große Rolle“, versichert indes der Kieler Energiestaatssekretär Willi Voigt (Grüne). Sollte das Energieprojekt auf hoher See diesmal glücken, „haben wir vor allem eine qualitative Verbesserung“ der Windnutzung, freut sich der grüne Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Axel Bühler. Denn anders als an Land, wo die Windmühlen vielerorts als Panorama-Killer gelten, gibt es im Meer kein Platzproblem. Wegen der stärkeren Winde sind die Erträge zudem 50 bis 70 Prozent höher als an Land.
Der technische Aufwand dagegen ist höher. Installations- und Wartungsarbeiten auf See sind bis zu zehnmal teurer als an Land. Die Kabelanbindung ist problematisch: Eine Verlegung durch das sensible Ökosystem Wattenmeer beispielsweise gilt aus Umweltsicht als ausgeschlossen.
Unter wirtschaftlichen Abwägungen kommen Wassertiefen bis zu 25 Meter in Betracht. Nicht zu unterschätzen sind dabei die erheblichen mechanischen Belastungen durch die Wellenbewegungen. Kurz: Die Vorzüge der Off-shore- Technologie dürften vor allem finanzstarke Großkonzerne reizen. Und so hat der Ölmulti Shell bereits Interesse signalisiert, das Know-how aus der Off-shore-Erdölgewinnung in die Windkraftnutzung zu stecken.
Die Vorreiterrolle jedoch spielt Dänemark: Seit 1991 setzt das Land auf die Förderung maritimer Windkraft. Elf Pilotanlagen produzieren vor der Ostseeinsel Lolland Strom, weitere zehn Windmühlen vor der Insel Tuno Knob erzeugen jährlich fast 15 Millionen Kilowattstunden. Gut die Hälfte des dänischen Strombedarfs, so das ehrgeizige Ziel der Regierung in Kopenhagen, soll im Jahr 2030 durch maritime Windenergie gedeckt werden: Die beiden möglichen deutschen Standorte in der Ostsee sind ein vergleichsweise bescheidener Anfang.
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