Alles klar für Rot-Rot – und alles offen

Die SPD in Mecklenburg-Vorpommern führt mit der PDS Gespräche über eine Regierungsbildung. Doch die PDS kann sich nicht entscheiden, was sie will: Koalition oder Tolerierung einer SPD-Regierung  ■ Aus Güstrow Heike Haarhoff

Ein weißes Gartenpartyzelt auf der grünen Wiese in Güstrow hatte Mecklenburg-Vorpommerns künftiger Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) gestern gewählt, den „Beschluß zur Bildung einer stabilen Landesregierung für die nächsten vier Jahre“ feierlich zu verlesen: „SPD-Landesvorstand, -Landesparteirat und -Fraktion beschließen, Verhandlungen mit der PDS aufzunehmen.“ Noch vor Weihnachten soll die neue Regierung stehen.

Nur zweieinhalb Stunden hatten die rund 60 SPD-Mitglieder gebraucht, sich gegen die Fortsetzung der Großen Koalition und für ein Bündnis mit der PDS auszusprechen. Obwohl sich während der Sondierungen in den vergangenen zwei Wochen abzeichnete, daß die SPD mehr mit der PDS als der CDU verbindet, zeigte sich Ringstorff gestern „ein klein wenig überrascht, wie klar das Votum war“. Nur eine Gegenstimme und eine Enthaltung hatte es gegen ein Bündnis mit der PDS gegeben.

Mit der PDS lasse sich eine vernünftigere Arbeitsmarktpolitik machen, so Ringstorff. Ausschlaggebend für seine Wahl sei zudem das Abstimmungsverhalten im Bundesrat gewesen. Über die Finanzpolitik, wegen der SPD und PDS hinsichtlich der Höhe der künftigen Nettoneuverschuldung im Clinch liegen, „ist gesprochen worden: Es darf keine unzumutbaren Belastungen für den Landeshaushalt geben“.

Ob die Verhandlungen aber jemals Deutschlands erster rot-roter Koalition mit richtigen PDS-Ministern zum Durchbruch verhelfen werden, ist derzeit völlig unklar. Mehr als der Wunsch nach „einer stabilen Landesregierung“, die vertraglich abgesichert sein solle, war Ringstorff nicht zu entlocken. Auch die Tolerierung einer SPD- Minderheitsregierung durch die PDS, ähnlich wie in Sachsen-Anhalt, ist denkbar.

Die Schuld für diese Unklarheit hat sich zu großen Teilen die PDS selbst zuzuschreiben: Deren Delegierte weigerten sich auf dem PDS- Landesparteitag am Samstag in Sternberg, Position zu beziehen. Eine irgendwie geartete Zusammenarbeit mit der SPD wird zwar mehrheitlich angestrebt. Doch der eindeutigen Koalitionsforderung, für die Landesvorstand und Bundes-PDS plädiert hatten, mochte sich die Basis nicht anschließen: Mit der knappen Gegen-Mehrheit von nur einer Stimme (45 zu 44) ließen die Delegierten den Antrag des Landesvorstands, „in Koalitionsverhandlungen mit der SPD einzutreten“, scheitern.

Statt dessen müssen Landeschef Helmut Holter, der bereits mit den Ministerien für Umwelt, Soziales und Kultur geliebäugelt hatte, und die Fraktionschefin Caterina Muth, die explizit Koalitionsverhandlungen wollte, nun ergebnisoffene Verhandlungen führen. Mit versteinerter Miene nahm Holter das niederschmetternde Abstimmungsergebnis zur Kenntnis. „Mit einer Koalitionsforderung hätten wir eine stärkere Position in den Verhandlungen gehabt“, stellte er bitter fest.

Vergeblich hatte er zuvor in einer einstündigen Rede die Genossen von der „historischen Chance“ zu überzeugen versucht, den „psychologischen und geistigen Schritt“ von „bundespolitischer Bedeutung“ zu vollziehen und das erste rot-rote Regierungsbündnis in Deutschland zu wagen. Die PDS müsse sich von der parlamentarischen Opposition zur „gestaltenden Kraft“ wandeln, um so mehr, als die PDS „die SPD zum Politikwechsel tragen muß“. Doch die Partei mochte nicht hören.

„Mit dem Begriff Koalitionsverhandlungen läßt du gar nichts anderes offen“, warf ihm ein Genosse vor. Das Papier des Landesvorstands beantworte „die Frage der Finanzierung“ nicht, kritisierte die Finanzexpertin Angelika Gramkow. Sie habe keine Lust, „Haushaltspolitik wie ein Buchhalter“ zu betreiben. Statt die jährliche Nettoneuverschuldung von derzeit 1,2 Milliarden auf 600 Millionen im Jahr 2000 herunterzuschrauben, wie es die SPD will, müsse der Kreditrahmen erweitert, Haushaltsmittel umgeschichtet und soziale Projekte aus dem EU-Strukturfonds bezahlt werden.

Da half es auch nichts, daß PDS- Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch und Bundes-Parteichef Lothar Bisky sich für Koalitionsverhandlungen aussprachen: „Der Känguruh-Sprung hat nicht stattgefunden“, schlußfolgerte Bisky anschließend, „aber ein großer Schritt wurde getan.“ Immerhin werde mit der SPD verhandelt.

Die CDU zeigte sich wenig überrascht von der SPD-Entscheidung. Die PDS sei offenbar leichter für die SPD zu handeln, hieß es bitter. Die Christdemokraten werden sich nun mit ihrer Oppositionsrolle anfreunden müssen.

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