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■ Mit Autoreifen auf du und duKein blauer Engel

Berlin (taz) – Seit einem Jahr gibt es einen Umweltengel für Autoreifen. Das Problem ist nur, man kriegt die Reifen mit dem blauen Engel nirgendwo. Die Reifenhersteller weigern sich, das Umweltzeichen zu beantragen. Und das, obwohl sie zuvor selbst mehrmals einen Antrag auf die Entwicklung eines Umweltzeichens für Autoreifen beim Umweltbundesamt gestellt hatten.

Die Lärmemission der umweltfreundlichen Reifen darf den Vorgaben des Umweltbundesamtes zufolge den Grenzwert von 72 Dezibel nicht überschreiten. Die Werte der handelsüblichen Reifen liegen derzeit allerdings drei bis fünf Dezibel über dieser Regelung. Allein eine Minderung um den angestrebten Wert würde den Lärm schon um ein Drittel reduzieren.

Darüber hinaus hat die Jury „Umweltzeichen“, die den blauen Engel für umweltverträgliche Produkte vergibt, eine Reduzierung des Rollwiderstandes festgelegt, was den Kraftstoffverbrauch vermindern würde.

„Um diese umwelttechnischen Standards erreichen zu können, müßten wir Millionen in die Entwicklung investieren“, begründet Hans Hartmut Münch, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Reifenherstellers Michelin, den Unwillen der Branche. Autoreifen seien ein Kompromiß aus vielen Eigenschaften, von denen allein zugunsten der Umwelt keine andere vernachlässigt werden dürfe, erklärt Münch. Außerdem sei der Straßenbelag für die Lärmemission sowieso viel stärker verantwortlich als die Reifen.

Reiner Stenschke, Lärmexperte im Umweltbundesamt, betont jedoch, daß Vertreter der Industrie an der Ausarbeitung der Kriterien beteiligt waren und daß auch andere Werte – das Bremsverhalten bei Nässe etwa, Laufleistung und Gewicht – für das Umweltzeichen berücksichtigt wurden. „Zwei Firmen hatten sogar schon Reifen aus ihrem Sortiment beim TÜV zur Prüfung vorgelegt und grünes Licht erhalten.“ Als sie dann das Umweltzeichen beantragen konnten, haben die Hersteller einen Rückzieher gemacht, beklagt Stenschke.

Gerd Lottsiepen, Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), wirft den Herstellern vor, ihre Strategie sei es, auf „lasche“ EU-Richtlinien zu warten. Diese verbindlichen Regelungen sind für Autoreifen gerade in Vorbereitung. Hierzulande ist das Umweltzeichen nur eine freiwillige Angelegenheit. „Ein solches Verhalten ist unverantwortlich“, kritisiert Lottsiepen. „Die Reifenhersteller enthalten den Kunden wichtige Informationen vor. Der blaue Engel ist eine Orientierungshilfe für umweltbewußte Verbraucher.“ Katinka Patscher

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