: Zuwanderungsquote als Auftrag
■ Heute verhandeln SPD und Grüne über Innere Sicherheit und Immigration. Eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts ist sicher, ein Zuwanderungsgesetz gibt es wohl nur als Arbeitsauftrag
Berlin (taz) – Cem Özdemir hofft auf ein Signal. „Wir müssen klarmachen, wohin die Reise geht, nämlich weg vom Blutsrecht“, sagt der ausländerpolitische Sprecher der bündnisgrünen Bundestagsfraktion.
Ob es dazu kommen wird, hängt nicht zuletzt vom Klima ab, das heute bei den rot-grünen Verhandlungen zu den Themen Innere Sicherheit und Ausländerpolitik herrschen wird. Ein Kernthema wird die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts sein. Zwei Konzepte stehen sich gegenüber: Die SPD will hier geborenen Kindern ausländischer Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft geben, wenn Mutter oder Vater in Deutschland geboren wurden. Die Grünen favorisieren die weichere Variante: Alle in Deutschland geborenen Kinder erhalten den deutschen Paß, wenn ein Elternteil hier seinen „dauerhaften Lebensmittelpunkt“ hat. Özdemir ist skeptisch, ob die SPD auf die grüne Position einschwenken wird. Er habe den Eindruck, die Partei „beharrt auf ihrer Position“, erklärte er gestern gegenüber der taz. Wenigstens die Zustimmungsklausel im SPD- Konzept will Özdemir verhindert wissen. Danach sollen die Eltern die Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft an ihr hier geborenes Kind ausdrücklich bestätigen. Der Sohn türkischer Eltern befürchtet, daß mit dieser Klausel ein „amputiertes Geburtsrecht“ entsteht und Kinder zum Spielball politischer Interessen werden. Vorstellbar sei, daß für den Fall, daß sich die deutsch-türkischen Beziehungen verschlechterten, Fundamentalisten eine Boykottkampagne gegen die Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft starten. Bei der Änderung des Asylrechts setzten die Grünen auf eine „Humanisierung“ der bisherigen Praxis. Eine Änderung des entkernten Grundgesetzartikels auf politisches Asyl wird von seiten der SPD ausgeschlossen und von den Grünen angesichts der Machtverhältnisse im neuen Bundestag für unrealistisch gehalten. Özdemir hofft, daß in einzelnen Teilen Abfederungen in Ausführungsgesetzen möglich sind. Dazu zählt er die Aufnahme der „geschlechtsspezifischen Verfolgung“ ebenso wie eine Garantie für die Aufnahme von minderjährigen Flüchtlingskindern. Hier seien Einigungen mit der SPD durchaus zu erwarten. Allerdings sei gerade beim Thema Asylrecht unklar, „wer was in der SPD zu sagen hat“. Schwierig dürfte die Frage des Umgangs mit kriminellen minderjährigen Ausländerkindern sein, deren Abschiebung ab einem bestimmten Strafmaß die SPD im Bundesrat zugestimmt hatte. „Wer hier dauerhaft lebt, darf nicht abgeschoben werden“, faßt Özdemir die grüne Position zusammen. Umstritten ist auch die Frage eines Zuwanderungsgesetzes. Für keineswegs ausgeschlossen hält es Özdemir, daß sich die Koalitionäre zumindest für die Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge im Koalitionsvertrag auf eine Übernahme der Vorschläge der Europäischen Kommission verständigen. Diese plädiert für einen EU-weiten Verteilungsschlüssel sowie innereuropäische Ausgleichszahlungen. Ein generelles Zuwanderungsgesetz wird es unter Rot-Grün nicht geben. Dies hatte der designierte SPD-Innenminister Otto Schily – der nicht Mitglied der Verhandlungskommission ist – ausgeschlossen. Özdemir hält es lediglich für möglich, daß beide Parteien für die nächsten vier Jahre an ihre Fraktionen den „Auftrag eines Entwurfs eines Zuwanderungsgesetzes erteilen“. Weiterhin offen ist, ob Özdemir oder seine grüne Konkurrentin Claudia Roth den Posten eines Bundesbeauftragten für Integration erhalten. Aus der SPD hieß es gestern überraschend, das Amt dürfe nicht „kampflos“ den Grünen überlassen werden. Severin Weiland
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