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Die Zeit künstlerischer Anarchie ist vorbei

„Kunst, Kommerz, Kotz“ – mit diesem Transparent macht 1992 die „KuLe“ in der Auguststraße 10 auf sich aufmerksam. Damals war die Parole allerdings nicht selbstironisch, sondern ernst gemeint. Mitten im Kiez um die Auguststraße im Bezirk Mitte waren nämlich gerade mehrere Tage hintereinander Tausende von Kunstfreunden über Hinterhöfe und durch Privatwohnungen gezogen, um am Kunstevent „37 Räume in der Auguststraße“ teilzunehmen. Dieses Ereignis, organisiert vom heutigen künstlerischen Leiter der Berlin-Biennale, Klaus Biesenbach, war gewissermaßen das Fanal für die Zurichtung der Auguststraße zur Galerien- und Touristenmeile der wiedervereinten Stadt. Was den heutigen Vizepräsidenten der Akademie der Künste, Matthias Flügge, damals zu einer Haßtirade im Freitag bewogen hatte, stört heute nur noch wenige. Mittlerweile hat sich die Bevölkerung in der Spandauer Vorstadt, dem Altbauviertel zwischen Friedrichstraße, Oranienburger Straße, Rosenthaler- und Torstraße, zu einem Gutteil ausgetauscht. Ein Drittel der Bewohner verfügt über ein Durchschnittseinkommen von mehr als 4.000 Mark netto. Und unweit von Auguststraße und Hackeschen Höfen lädt mit den Kunstsammlern Rolf und Erika Hoffmann bereits der Kunstadel zum Privatissimo in die halböffentlichen Sophie-Gips-Höfe.

Um den kommerziellen Kulturbetrieb war es den Förderern nach der Wende nicht gegangen. Im Gegenteil: Gerade freie Gruppen, Off-Künstler und kommunale Einrichtungen sollten in Mitte einen Ort finden, an dem sie zu günstigen Bedingungen arbeiten konnten. Doch die Zeit der künstlerischen Anarchie ist vorbei. Das Tacheles ist nur noch der Ruin seiner selbst und wartet auf die Räumung. Von den ehemals besetzten Häusern gehen kaum noch politische Impulse aus. Und in Zeiten kultureller Großereignisse, wie der derzeit in der Auguststraße und im Postfuhramt stattfindenden Berlin-Biennale für zeitgenössische Kunst, wird auch die sündige Oranienburger Straße zur sündhaft teuren Meile. Kunst, Kommerz, Chic. wera

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