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„Und nachher steh' ich auf der Straße“

Zum Beispiel Silke Fischer: Die umstrittene Richtlinie der Sozialbehörde über die Kürzung der Mietzuschüsse für Sozialhilfeempfänger sorgt für Verunsicherung  ■ Von Gernot Knödler

Silke Fischers (*) Küchenbalkon hängt drei Stockwerke hoch über einem Hof voller Kastanien, vom Wohnzimmer aus geht der Blick über eine Batterie Stofftiere auf der Fensterbank hinweg zum Hochbunker am Heiligengeistfeld. Die alleinerziehende Mittdreißigerin bewohnt mit ihrem zweieinhalbjährigen Sohn Jean (*) eine 78-Quadratmeter-Wohnung in St. Pauli. Im Juni hat sie vom Bezirksamt Altona die Aufforderung erhalten, sich eine andere Wohnung oder einen Untermieter zu suchen. Mit einer Bruttokaltmiete von 1050 Mark liege sie weit über der neuen Obergrenze von 799 Mark für zwei Personen, bis zu der das Sozialamt die Mietkosten übernimmt. Frist: drei Monate.

Silke Fischer ist kein Einzelfall. Allein im Bezirk Altona haben 110 Sozialhilfehaushalte wegen zu hoher Mietkosten oder zu großer Wohnungen ähnliche Briefe bekommen. Wie das Bezirksamt auf Anfrage der GAL-Fraktion mitteilte, waren die Adressaten 23mal Alleinerziehende mit Kindern und in fünf Fällen Menschen über 65, für die in der Regel eine Ausnahme hätte gemacht werden sollen.

Auch nach den alten Richtwerten war Silke Fischers Wohnung um 100 Mark zu teuer. Sie wurde trotzdem bezahlt. Denn bis April lebte sie in einer WG zusammen mit einer anderen Frau. Die bekam ebenfalls ein Kind, und plötzlich krabbelten und krakeelten ein Säugling und ein Zweijähriger in der Wohnung um die Wette. Zu heftig für die Mütter: Sie gingen auf Wohnungssuche, die Mitbewohnerin wurde zuerst fündig und ließ Silke in einer zu teuren Wohnung zurück.

Prekär wurde deren Lage aber erst mit den neuen Obergrenzen für Sozialmieten, die im Mai von der Sozialbehörde festgelegt wurden (siehe Text rechts): Einen Untermieter zu finden erwies sich als schwierig: Denn die Wohnung ist zwar schön, aber ungünstig geschnitten: Das Wohnzimmer besteht aus zwei durch eine breite Flügeltür verbundenen Zimmern. Hier hört jeder alles.

Bei den beiden übrigen Räumen handelt es sich um halbe Zimmer: Das eine ist finster und mit einem Doppelbett so gut wie zugestellt; das andere zwar hell, aber noch kleiner. Der Untermieter müßte dafür mindestens 250 Mark bezahlen. Silke Fischer hat, wie sie erzählt, Zettel aufgehängt und im Bekanntenkreis gefragt: Niemand biß an. Jemand, den sie kennt, wäre ihr als Mitbewohner ohnehin am liebsten, des Kindes wegen.

Auszuziehen kommt für sie nicht in Frage: „Ich werde auf keinen Fall hier kündigen“, sagt sie, „denn nachher steh' ich auf der Straße.“ Sie befürchtet, wenn sie erst einmal weggezogen ist, nicht mehr nach Altona zurückziehen zu können, und im übrigen betrachtet sie sich nur als „vorübergehende Empfängerin von Sozialhilfe“. Im Mai wird Jean drei Jahre alt und erwirbt damit einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Spätestens zu diesem Zeitpunkt will sich die Bootsbauerin eine volle Stelle suchen. Bei drei Kindergärten hat sie den Kleinen vorsorglich schon einmal angemeldet.

Jetzt sucht sie beides: Einen Halbtagsjob, weil sie es für realistisch hält, ihren Alltag und den von Jean damit noch organisiert zu kriegen, und eine neue Wohnung, damit ihr das Sozialamt weiterhin die Miete überweist. An das jüngste amtliche Schreiben hat ihr die Sachbearbeiterin einen Zeitungsartikel mit der Überschrift „Jeder kann in Hamburg eine Wohnung finden“ geheftet.

* Name geändert

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