: Regenwasser für debis
Auf dem Potsdamer Platz wurde bedingt ökologisch gebaut ■ Von Heike Gläser
Unübersehbar leuchtet ausgerechnet in Grün der Würfel über der debis-Zentrale. Daß er den Abluftschacht des Tiergartentunnels krönt, ist nicht zu sehen. Schön hoch wurde der Schornstein gebaut, damit die schadstoffhaltige Abluft nicht direkt über dem Potsdamer Platz herunterrieselt, sondern in die umliegenden Stadtbezirke.
Dabei hat die Ingenieursgesellschaft Drees & Sommer AG keine Mühen gescheut: Die Aktiengesellschaft mit Sitz in Stuttgart, die schon an anderen Daimler-Benz- Projekten beteiligt war, übernahm auch die Gesamtbauleitung des Daimler-Geländes am Potsdamer Platz. Nachdem die Architektenplanung abgeschlossen war, entstand die DS-Plan, eine 100prozentige Tochter der Drees & Sommer AG. Vor gut sechs Jahren bekam DS-Plan den Beratungsauftrag für die Bauökologie und ist somit zuständig für das gesamte Ökomanagement der Daimler-Bauvorhaben. Ein Team von Fachspezialisten wie Gebäudetechniker, Bauingenieure, Aerophysiker und Bauphysiker machte sich daran, „individuelle Lösungen für ein umweltgerechtes Bauen“ zu entwickeln, erklärt die Bauingenieurin Gabriele von Kardorff, Projektleiterin von DS-Plan. Hier wurden von Beginn an Konzepte zur Energieeinsparung und Schadstoffreduzierung entwickelt, auf eine energiesparende Gebäudetechnik gesetzt, die auf Klimaanlagen verzichtet, und ein gemeinsames Logistikkonzept erarbeitet. Alles ging über die Schreibtische der DS- Plan: von der gesundheitsgerechten Baustoffauswahl bis zur Entwicklung einer Regenwasseranlage. „Alle Baustoffe, die verwendet wurden, gingen in ein unabhängiges Labor“, berichtet Gabriele von Kardorff. In dem dänischen Chemielabor Miljö mit Sitz in Hamburg wurden Dämmstoffe ebenso wie Fußbodenklebstoffe, Fugenmaterial oder Reinigungsmittel nach Schadstoffen untersucht.
Das Team von DS-Plan ging vor Ort, um stichprobenartige Kontrollen durchzuführen, und rund 80 Bauleiter halfen mit, auch wenn sie bisher von Ökologie am Bau wenig Ahnung hatten. Mit einer von DS- Plan entwickelten Baufibel im Westentaschenformat, die die wichtigsten Richtlinien für umweltgerechte Baustoffe enthält, wurden die Bauleiter ausgerüstet, um die eigenen Baustellen zu überwachen, wie Gabriele von Kardorff betont.
Und doch wurden anfangs H-FCKW-geschäumte Dämmstoffe verwendet. Anlaß für Greenpeace-Aktivisten, im Mai 1995 tausend schwarze Luftballons über der debis-Baugrube aufsteigen zu lassen, um auf diesen Mißstand aufmerksam zu machen. DS- Plan reagierte prompt. „Wir haben uns mit Greenpeace sofort zusammengesetzt“, erinnert sich Gabriele von Kardorff und bestätigt heute, daß die Aktivisten zu Recht die Verwendung von FCKW-haltigen Dämmstoffen angemahnt hätten. Es wurden fortan keine mehr verwendet.
Dies bestätigt Greenpeace und kann in puncto FCKW nichts mehr beanstanden. „Die Daimler-Benz AG hat auf unsere Forderungen reagiert und unseres Wissens nur noch wassenstoffgeschäumte Dämmstoffe verwendet“, meint Christian Klenke von Greenpeace Berlin.
Nach Angaben von DS-Plan wurden rund 80 Prozent der von ihnen geforderten Umweltziele auf der Großbaustelle verwirklicht. Dazu gehören die doppelschaligen Fassaden, die aufgrund des „Wintergarteneffekts“ einen geringeren Heizenergiebedarf mit sich bringe und gleichzeitig eine natürliche Lüftung auch in höheren Stockwerken ermögliche. Mechanische Lüftungssysteme ersetzen herkömmliche Klimaanlagen. Die Gebäude werden zentral
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mit Strom, Wärme und Kälte durch das Heizkraftwerk Mitte versorgt. Die bei der Stromproduktion entwickelte Abwärme des Kraftwerks versorgt über Fernleitungen die Daimler-Gebäude mit Wärme und Kälte. Bei der Kälteerzeugung werden, laut DS-Plan, Kältemittel ohne Treibhaus- und Ozonschädigungspotential eingesetzt.
Das Regenwasser aller Dachflächen werde in fünf Speichern gesammelt und vollständig wiederverwertet. Die debis-Mitarbeiter spülen ihre Toiletten also mit Regenwasser, und Renzo Pianos künstlich angelegter See werde ebenfalls mit Regenwasser nachgespeist.
Für den BUND Berlin e.V. sind die Maßnahmen nicht ausreichend. „Da wird etwas als ökologisch verkauft, was in anderen Städten, beispielsweise in Frankfurt am Main, im Hochhausbau längst zum Standard gehört“, echauffiert sich Carmen Schultze, Sprecherin des BUND. Das, was als innovatives Bauen realisiert wurde, sei alles andere als revolutionär, sondern gängiger Stand der Technik. Außerdem seien wirkliche Innovationen wie die Umsetzung von Solartechnik nicht berücksichtigt worden.
Darüber hinaus beanstandet Arne Koerdt, Mitglied des AK Verkehr beim BUND, eine Fehlplanung im Verkehrskonzept, die Beeinträchtigung des Stadtklimas und ein mangelndes Grundwasserkonzept. Es wurden, so Koerdt, Weichgele verwendet, um das Grundwasser aus den Baugruben zu halten. Diese sind überall in Deutschland außer in Leipzig und Berlin verboten, da die Weichgele unter Umständen ins Grundwasser gelangen können.
Last but not least: Der Einbau einer Filteranlage für den debis- Schornstein wurde ebenfalls nicht berücksichtigt. In Japan sei dies gang und gäbe, so Koerdt. Er stellt die berechtigte Frage, ob ein Filter nicht nachträglich eingebaut werden könne.
Der Würfel hoch über der Stadt indes leuchtet weiter.
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