Präsidentenprobleme

■ Thomas Hürlimann liest aus seinem ersten Roman „Der große Kater“

Ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit und schon gerät der Schweizer Bundespräsident in arge Bedrängnis. Bei einem Staatsbesuch des spanischen Königspaares wird von der Sicherheitspolizei kurzfristig das „Damenprogramm“ geändert: Präsidentenfrau Marie und Königin Sofia sollen eine Berner Kinderklinik besuchen. Doch in eben dieser Klinik liegt der krebskranke Sohn des Präsidentenpaares. Das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Marie und dem „großen Kater“ wird auf die Probe gestellt. Sie wirft ihm vor, das Sterben des eigenen Sohnes werbewirksam in den Medien ausschlachten zu wollen.

Mit seinem ersten Roman Der große Kater begibt sich der Schweizer Schriftsteller Thomas Hürlimann in das Zentrum der Macht. Statt auf die politischen Probleme lenkt er seinen Blick jedoch auf die privaten Verflechtungen, vor allem auf das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Präsidenten und dem Chef der Sicherheitspolizei. Der große Kater gilt als ein autobiographischer Schlüsseltext Hürlimanns, wofür einige Fakten sprechen: Hans Hürlimann, Vater des Autors, war von 1979 bis 1982 Schweizer Bundespräsident und hat in dieser Funktion 1979 das spanische Königspaar empfangen. Auch ein im Rahmen eines „Damenprogramms“ erstattete Besuch einer Berner Kinderklinik, in der sein jüngster Sohn im Sterben lag, ist historisch verbürgt.

Um die biographischen Eckpfeiler spinnt sich ein aufwühlender, mit seinen ständigen Rückblenden spannend inszenierter Vater-Roman. Hürlimanns Neigung zu Vergleichen mit Mythologemen, Märchen und Bibelmotiven gibt seiner Sprache manchmal etwas Verklemmtes und Schwerfälliges. Ansonsten gilt, was Hürlimann selbst im Roman sagt: „Geschliffen der Stil, aber der Inhalt gefährlich.“ So wie eben immer ein wenig Verrat im Spiel ist, wenn man über die eigene Familie schreibt.

Joachim Dicks

Thomas Hürlimann: „Der große Kater“, Ammann-Verlag, Zürich 1998, 236 Seiten, 38 Mark. Lesung: heute, 20 Uhr, Literaturhaus