: Sender Freies Berlin in der Blockade
Berlins größter Sender, der SFB, steht vor einem Desaster. Doch die CDU-Regierenden würden ihn lieber verhungern lassen, als mit dem verhaßten Brandenburger ORB eine gemeinsame Rundfunkanstalt zu gründen ■ Aus Berlin Georg Löwisch
Solche Anlässe hat Eberhard Diepgen gern. Als Anfang des Monats in Berlin-Mitte Richtfest für das Sat.1-Sendezentrum gefeiert wurde, durfte der Regierende Bürgermeister wieder einmal einen „Meilenstein für den Ausbau Berlins zu einem großen zentralen Medienstandort“ preisen. Diepgen und seine Planer rechnen damit, daß mit dem Umzug der Bundespolitik aus Bonn TV-Sender und Zeitungen große Studios und Redaktionsvertretungen eröffnen. Sie sollen, so wird in den Senatsbüros geträumt, jede Menge Geld und Arbeitsplätze mitbringen und nicht nur über die Ex-Bonner berichten, sondern auch das wichtige Tun der Berliner Politiker in die Welt tragen.
Allein Berlins größter Sender paßt so gar nicht zu dieser Vision: der Sender Freies Berlin (SFB). Zwar hat die ARD-Anstalt traditionell wenig Geld, doch nun drohen regelmäßige Finanzlöcher in zweistelliger Millionenhöhe. Intendant Horst Schättle klagt über „Einbrüche“, um dann wieder beschwörend vor „Horrorszenarien“ zu warnen. Und während andere Sender in Berlin moderne Studiokomplexe bauen, laufen die SFB- Mitarbeiter über die knarzenden Linoleumfußböden der Flure im Funkhaus an der Masurenallee und überlegen sich, wo demnächst noch gespart wird.
Schuld an der Misere sind fehlende Einnahmen aus Rundfunkgebühren. Bis 2000 fließen fast 50 Millionen Mark weniger in die Kasse des SFB, weil immer mehr Berliner nach Brandenburg abwandern und in der Hauptstadt mehr Menschen wegen Bedürftigkeit von der Gebühr befreit werden. Ein Desaster droht, wenn der Sender auch noch auf jährliche zehn Millionen Mark verzichten muß, die ihm große Rundfunkanstalten über den ARD-Finanzausgleich zahlen. Auf Druck der Bundesländer wollen die Großen diese Zahlungen zum Jahr 2001 einstellen. Dabei sei sein Sender künftig auf die ARD-Solidarität angewiesen, sagt Intendant Schättle: „Was sich im Moment abspielt, wäre ein tiefer Einschnitt in ein bewährtes Prinzip.“
Das Jammern des Intendanten beeindruckte bisher weder seine ARD-Kollegen noch die Regierungen von Bayern, Sachsen und Baden-Württemberg, die den Senderverbund zu einer Strukturreform zwingen wollen. Erst letzte Woche drohte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) damit, den in einem Staatsvertrag aller Länder festgeschriebenen ARD-Finanzausgleich zu kündigen. Es müßten Rundunkanstalten her, die aus eigener Kraft lebensfähig seien.
Daß sich der SFB mit einem anderen Sender zusammentut, wird eigentlich schon lange diskutiert. „Unsere Priorität muß sein, daß hier eine starke ARD-Anstalt entsteht“, fordert Hansjürgen Rosenbauer, Intendant des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB). Die beiden Sender seien „natürliche Partner“. Auch Schättle hält eine solche Fusion für ein „großes strategisches Ziel“. Damit eine Fusion spart, müßten die beiden nach Rosenbauer nur noch fünf statt acht Radios und ein statt zwei Fernsehprogramme veranstalten. Jedoch müßte eine Fusion nicht nur von beiden Sendern gewollt, sondern von den Landesregierungen- und -parlamenten beschlossen werden. Immerhin ist die Potsdamer Regierung für eine Fusion. „Wir unterscheiden uns in der Einschätzung der Lage nicht vom ORB“, stellt Regierungssprecher Erhard Thomas fest – freilich steht die sozialdemokratische Mehrheitsfraktion einer Fusion noch leise murrend gegenüber.
Erbitterten Widerstand gibt es in Berlin: „Kooperation ja, Fusion nein“, erklärte jüngst Diepgens Senatskanzlei. „Ein Sender der deutschen Hauptstadt und der Kulturmetropole Berlin“, sagt Berlins CDU-Fraktionschhef Klaus Landowsky, könne „unmöglich“ die gleiche Programmfarbe haben wie ein Sender, der „Menschen von der Uckermark bis zur Lausitz“ bediene. Die CDU-Politiker ängstigt, daß in einem fusionierten Sender SPD-Rundfunkräte aus Brandenburg die Aufsichtsgremien dominieren könnten. Außerdem wollen sie nicht auf das SFB-Fernsehen B 1 verzichten, in dem sie sich allabendlich bei Grundsteinlegungen und Ausstellungseröffnungen zugucken können. Ein Beteiligter kommentiert: „Landowsky will um seinen Westberliner Sender eine Mauer haben.“
Dabei haben die Regierenden keine Alternative anzubieten. Als Diepgens Sprecher Michael-Andreas Butz anregte, der SFB könne ja mit dem von Konservativen dominierten Leipziger MDR zusammengehen, folgte prompt eine Absage. Sachsen sei davon „wenig begeistert“, hieß es aus Biedenkopfs Staatskanzlei. Nun bleibt den Berliner Regierenden nichts, als schmollend zu drohen, sie würden den nächsten Rundfunkstaatsvertrag der Länder ablehnen, wenn der SFB nicht genug Geld bekomme. Die Aussichten, diese Position durchzuhalten, sind schlecht. Selbst unter den ARD-Intendanten, die am Donnerstag über eine Empfehlung an die Bundesländer beraten, will die Mehrheit dem SFB nicht mehr helfen: Eine gutfinanzierte Berichterstattung aus Berlin garantiert ihnen ein gemeinsames ARD-Hauptstadtstudio. Die Situation, räumt ein Berliner Regierungsbeamter ein, sei „ausgesprochen schwierig“.
Diepgens Koalitionspartner von der SPD verhielten sich bisher ruhig. Mit Blick auf die Wahlen in einem Jahr verlangt nun erstmals SPD-Fraktionschef Klaus Böger eine Fusion (siehe Interview). Doch derzeit dominiert der große Koalitionspartner die Berliner Medienpolitik. Dabei drängt die Zeit. Der SFB, sagt ein Mitarbeiter, „läuft leer wie ein alter Eimer“.
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