Analyse: Lachsack-Treffen
■ Der Deutsche Fußball-Bund tagt und versucht die Quadratur des Kreises
Der deutsche Fußball ist nicht nur sportlich aus dem Lot, sondern auch verbandspolitisch. Die Konstruktion des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ist seit jeher bizarr: Die Basismehrheit ist altbacken, vereinsmeierisch, heimatelnd, fritzwalterhaft. Die Proficlubs sind gewinnorientierte Unternehmen mit fetten zweistelligen Millionenumsätzen (Bayern München sogar 165) – und Brutstätten der Eitelkeit, wo gern ehrenamtliche Egomanen die höchsten Posten besetzen. Geführt aber werden sie von einem einzigen Verband. Den Spagat symbolisiert in chamäleonartiger Perfektion der umtriebige Machtmensch und Aschenplatz-Romantiker Egidius Braun (besucht daheim gern Kreisligaspiele) als Präsident: gutmenschelnd und katholisch in der Aura, gerissen, intrigant, abgebrüht im Innern. Jetzt soll strukturell alles anders werden – heute bundestagt der Verband im Kurhaus zu Wiesbaden und will den Modernisierungsschub.
Der Tenor lautet: trennen und mischen, organisatorisch und personell. Die Bundesliga will selbständig werden, sich selbst vermarkten und direkt die explodierenden TV-Gelder einstreichen. Manche Clubs kokettieren mit einer Umwandlung in Kapitalgesellschaften, Börsengänge sind im Gespräch. Was putzig klingt (Kurse hoch nach Sieg, Fans als Anteilseigner mit Aktie an Schlafzimmerwand), läßt Analytiker auflachen: Das werde im Debakel enden. Denn im Aktienrecht läßt sich die häufig hanebüchen hohe Verschuldung der Clubs nicht mehr so grotesk vertuschen wie im holden Vereinswesen. Zudem bleibt die geplante Konstruktion für Investoren unattraktiv, wenn 51 Prozent der Anteile bei den Clubs bleiben müssen.
Der gelernte Aachener Kartoffelhändler Braun (73), der erneut für drei Jahre als Chef kandidiert, spielt den alten Bauerntrick. Er will den Bayern-Präsidenten und Oberkritiker Franz Beckenbauer („alles Lachsäcke beim DFB“) als einen seiner Vizes im DFB einbinden und damit ruhigstellen. Und der routinierte Ämterhäufer Gerhard Mayer-Vorfelder, VfB-Stuttgart-Präsident und CDU-Finanzminister im Ländle, will sein politisches Amt aufgeben und Ligaboß werden. Interessenkonflikte sind bei beiden programmiert.
Vorhanden sind schon andere. Gestern war noch sehr fraglich, wie sich die Amateurvertreter mit ihrer Delegiertenmehrheit verhalten werden. Von wegen abnicken! Die Regionalverbände fürchten um eigene Macht und steuerliche Gemeinnützigkeit. Noch Mitte dieser Woche forderten sie neue Gutachten. Die Lachsäcke wollen sich nicht ein letztes Mal wichtig nehmen dürfen. „Nicht, daß man einmal mit dem Finger auf uns zeigt: Das sind die, die mit ihrer Zustimmung den deutschen Fußball kaputt gemacht haben“, fürchtet einer allen Ernstes. Bernd Müllender
(Siehe auch Wirtschaft Seite 9)
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