: Funkstille beim Privatradio-Poker
■ Lizenzvergabe zögert sich weiter hinaus / Bewerber pokern um Gesellschafter-Anteile / Werbe-Einnahmen als Druckmittel
Die Vergabe für eine private Rundfunklizenz in Bremen zögert sich weiter hinaus. Bisher sendet lediglich der Privatfunk Radio 107.1 für 3,5 Stunden pro Tag. Damit ist das kleinste Bundesland weiterhin ein weißer Fleck auf der Privatradiokarte. Dennoch hat sich der Landesrundfunkausschuß erneut vertagt. Nachdem ursprünglich bereits Anfang Oktober ein Betreiber-Konsortium für den geplanten Vollsender präsentiert werden sollte, zieht sich das Verfahren jetzt noch bis mindestens Ende November hin. Bremen bleibt Umland-dominiert – vor allem von den Branchengrößen Hitradio Antenne und Radio FFN, die nach Bremen hineinstrahlen.
Die Ursache für die Bremen-interne Verzögerung ist nach Angaben von Wolfgang Schneider, Chef der Landesmedienanstalt (LMA), die „Entscheidungsunfähigkeit“ der 23 Bewerber, sich zu Veranstaltergemeinschaften zusammenzufinden. Damit soll das Genehmigungsverfahren verkürzt, vor allem aber ein optimales Konsortium gefunden werden. „Ein anderer Weg ist fast unmöglich, weil sonst der Landesrundfunkausschuß die Entscheidung vor allen 23 Bewerbern rechtfertigen müßte“, so Schneider. Ein erstes Konsortium ist bereits geplatzt. Darin befand sich die Weserwelle GmbH, die bereits Radio 107.1 betreibt und darum mit 24 Prozent fest an dem künftigen Sender beteiligt ist. Hinzu gesellten sich unter anderem Radio Schleswig-Holstein (RSH), die Bremer Tageszeitungen AG und der Veranstalter Klaus-Peter Schulenberg. Spekulationen, daß dieser nur unter der Bedingung, sein Hamburger Call-Center nach Bremen zu verlagern, beteiligt werde, bezeichnete Schulenberg als „kompletten Unsinn“. Fest steht jedoch, daß dieses erste Konsortium vorerst geplatzt ist.
So habe man jetzt für den 25. November eine „Entscheidung in Aussicht gestellt“, so Schneider von der LMA. Im Klartext: Bis dahin sollen die beteiligten Bewerber am Pokertisch den Radiospeck unter sich aufgeteilt haben, damit der Ausschuß abnicken kann. Das geht aber nur, wenn sich erstens starke Partner finden, die sich zweitens auf die Verteilung der Anteile einigen können. Zudem müssen gewisse Prämissen berücksichtigt werden, die von der Bremer Politik oder anderen Bewerbern und Konkurrenten gesetzt werden.
So lange wird also das Pokern um die privaten Radio-Anteile weitergehen. Einen ersten festen Zusammenschluß bestätigte LMA-Chef Schneider gestern. Demnach gehen die Weserwelle GmbH sowie Radio Schleswig-Holstein in einer Bietergemeinschaft zusammen. RSH werden dabei gute Chancen eingeräumt, weil sich dahinter der Springer-Verlag verbirgt, womit eine Finanzierung gesichert erscheint. Zusätzlich würde damit die CDU befriedigt.
Als problematisch erweisen sich die Bewerbungen vor allem von Radio Bremen aber auch von anderen Konkurrenten. Bei dem öffentlich-rechtlichen Sender gibt es zum einen nach wie vor massive Proteste seitens der CDU, wenngleich es eine Absprache unter den Koalitionspartnern SPD und Union geben soll, wonach die CDU-Vertreter im Rundfunkausschuß nicht gegen Radio Bremen stimmen werden. Das gibt der Springer-Beteiligung noch weiteres Gewicht. Zum anderen gibt es finanzielle Aspekte, RB oder etwa den Bewerber AVE mit ins Boot zu holen.
Der neue Sender ist darauf angewiesen, in eine Werbegemeinschaft aufgenommen zu werden. Dabei böten sich hier in der Region Funckombi-Nord oder NDR-Plus-Kombi an. Bei der Funkkombi könnte AVE sein Veto als Mitgesellschafter von Hitradio Antenne und damit als Gründungsmitglied einlegen. Das könnte schnell geschehen, wenn AVE bei der Frequenzvergabe nicht berücksichtigt wird. Das gleiche Szenario gilt bei einer Nichtberücksichtigung von Radio Bremen für NDR-Plus-Kombi. „Die jeweiligen Beteiligten könnten dabei so etwas wie eine Nadelöhrfunktion einnehmen, wenn es um Werbeeinnahmen geht“, so LMA-Chef Schneider. Daher gilt als sicher, daß einer der angesprochenen Bewerber Gesellschafter wird.
Favorisiert wird derzeit offenbar die Radio-Bremen-Lösung – vor allem von der SPD. Wenngleich es dagegen massive Proteste von allen möglichen Seiten gibt. Schließlich gilt der öffentlich-rechtliche Sender als direkte Konkurrenz. Eine Beteiligung wird – unter anderem von der CDU – aus wettbewerbsrechtlichen Bedenken abgelehnt. Zudem bleibt es bei finanziellen Vorbehalten. Je nach Beteiligung kommen auf die Gesellschafter Vorabinvestitionen in Höhe von bis zu vier Millionen Mark zu, bis solch ein neuer Sender Gewinn abwirft. Dabei gerät Radio Bremen unter Legitimationsdruck, da der Finanzausgleich innerhalb der ARD-Sender in Frage gestellt ist. Der Sender selbst sieht diese Probleme nicht (wir berichteten). Man will Knowhow als Gesellschaftsanteil einbringen – so etwa den sogenannten Newsdesk, über den bei RB u.a. Nachrichten laufen.
Sollten sich all diese Probleme nicht bis zum 25. November lösen lassen, übt LMA-Chef Schneider Druck aus, werde der Rundfunkausschuß selbst am grünen Tisch die Entscheidung fällen. Benötigt wird eine absolute Mehrheit. Das entspricht zwölf Stimmen. Dies wäre erreichbar über eine große Koalition – dafür spräche die RSH-Springer-Radio-Bremen-Lösung. Oder die SPD-VertreterInnen einigen sich mit den unabhängigen Ausschußmitgliedern und erreichen so eine Mehrheit.
Zwei der 23 Mitglieder haben sich für befangen erklärt, weil eigene Bewerbungen vorliegen. Im Gegensatz dazu wird Dagmar Burgdorf mitstimmen. Sie ist für die Landes-SPD nominiert. Zugleich hat aber auch der Zeitungsverlag Neue Westfälische GmbH eine Bewerbung eingereicht, an dem über eine Holding die Bundes-SPD beteiligt ist. Da dies aber nur eine Minderheitsbeteiligung und „obendrein von der Bundes-SPD ist, kann ich eine Befangenheit nicht erkennen“, so Schneider.
Wann dann endlich ein privater Bremischer Vollsender an den Start gehen kann, ist ungewiß. Erfahrungswerte zeigen, daß zum Sendestart ein prägnantes Datum sinnvoll ist. Das könnte im aktuellen Fall etwa Ostern oder der 1. April des kommenden Jahres sein. Daten, die allerdings bereits sehr knapp kalkuliert sind, da die späteren Gesellschafter zunächst durch die Advents- und Weihnachtszeit ausgebremst würden, wenn die Entscheidung tatsächlich erst Ende November fällt. Zudem müßte ein Redaktionsteam sowie ein Programmkonzept zusammengestellt werden. Jens Tittmann
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