: Ein 31-Stunden-Countdown wäre originell gewesen
■ ...doch auch 120 Minuten lange „36 Stunden Angst“ können spannend sein (20.15 Uhr, Sat.1)
Na prima. Endlich mal ein Sat.1- Filmtitel, bei dem man sich nicht gleich wegwerfen möchte vor Lachen. Obwohl „36 Stunden...“? Da war doch mal was. Nicht ganz. Der Klassiker hieß natürlich „12 Stunden Angst“. Danach gab es aber auch noch Streifen wie „14 Stunden“, „24 Stunden (aus dem Leben einer Frau“) oder „48 Stunden bis Acapulco“ (nettes Werk von Klaus Lemke). Also haben die Sat.1- Leute mit ihrem Titel eine echte Marktlücke aufgetan? Mitnichten. Alles schon dagewesen: Sowohl „36 Stunden“ als auch „36 Stunden in der Hölle“. „31 Stunden“, das hätte hingehauen, aber welcher Kidnapper stellt schon so ein komisches Ultimatum?
Jedenfalls nicht der Schurke namens Rudolph, der hier den Sohn des Streifenpolizisten Steiger entführt und für dessen Freilassung 600.000 Mark verlangt. Ein schnöder 08/15-Plot also, hätte Autor Holger Karsten Schmidt hier nicht ein paar Finessen eingestrickt, die das Ganze zu einem unerwartet spannenden Krimi machen.
Die Komplikationen beginnen damit, daß jener Rudolph versehentlich das falsche Kind entführt hat. Eigentlich hatte er es auf den Sohn von Kommissar Martens abgesehen, der dieselbe Schule wie Steiger jr. besucht. Während der Countdown läuft, stellt sich heraus, daß der toughe Kommissar reichlich Dreck am Stecken hat, den Entführer offenbar kennt und mit ihm irgendwelche krummen Geschäfte macht. Der verzweifelte Steiger braucht allerdings geraume Zeit, bis er merkt, daß sein Vorgesetzter zwar so tut, als fahnde er fieberhaft nach seinem Sohn, aber in Wirklichkeit ein ganz anderes Spiel spielt.
Was folgt, hat natürlich was von der „Ein Vater sieht rot“-Nummer, ist aber von Regisseur Jörg Grünler ohne allzu dicke Peinlichkeiten effektvoll und spannend inszeniert. Was nicht zuletzt mit der originellen Kamera zu tun hat, die ausgeklügelte Fahrten mit Naheinstellungen kombiniert, bei denen kein Mitesser verborgen bleibt.
Johannes Bandrup, sonst immer der Schönling vom Dienst, hat zwar auch hier keine, macht seine Sache als Polizist aber durchaus gut. Ulrich Mühe (mit blondiertem Resthaar!) ist als Kidnapper auch nicht ohne, und Uwe Bohm gibt den kaltblütigen Fiesling von Kommissar mit einer ungeheuer physischen Intensität. Nicht 36 Stunden, aber immerhin 120 Minuten lang. Reinhard Lüke
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