Das Portrait: Der Mann, der die Partei streichelt
■ Ottmar Schreiner
Da hat sich ein Mutiger in die Höhle der Löwinnen gewagt, dachten die Zuschauer der ARD-Sendung „Christiansen“ am Sonntag abend. Aber Ottmar Schreiner, einziger männlicher Talkgast zum Thema „Frauen und Macht“, schwieg überwiegend, während fünf plichtbewußt frauenbewegte Politkerinnen über Quote und Netzwerke philosophierten.
Vielleicht dachte Schreiner derweil eher an seinen neuen Job. Der 52jährige wird neuer SPD-Bundesgeschäftsführer. Zumindest in seiner Parteu scheint man zur Zeit weder Männerbünde noch Frauensolidarität zu brauchen, um eine exponierte Position zu besetzten: Was wirklich zählt, ist das Vertrauen des großen Vorsitzenden. Und wie sein Vorgänger Franz Müntefering ist auch Schreiner ein treuer Gefolgsmann von Oskar Lafontaine.
Ihm hat Schreiner zuletzt einen Dienst erwiesen, als er bei einer Vorwahl um den Vorsitz der SPD-Bundestagsfraktion gegen Peter Struck antrat. Schreiners völlig aussichtslose Kandidatur wahrte den Schein einer demokratischen Entscheidung zwischen echten Alternativen, nachdem Lafontaine den früheren Fraktionsvorsitzenden Rudolf Scharping aus eben dieser Funktion gedrängt hatte.
Ottmar Schreiner wird neuer SPD-Bundesgeschäftsführer Foto: AP
Lafontaine erzählte gestern, er habe die beabsichtigte Nominierung von Schreiner mit dem zukünftigen Bundeskanzler Gerhard Schröder abgestimmt. Das ist überraschend: Schließlich gehörte Schreiner zu den Unterzeichnern jenes Strategiepapiers der SPD-Linken, das kurz vor der Niedersachsenwahl eine stärkere Ausrichtung der Partei nach links angemahnt hatte.
Schreiners Vita ist unspektakulär: Nach zwei Jahren bei der Bundeswehr und Jurastudium machte er Karriere bei den Jusos. Dort wurde er als Vertreter einer „gemäßigten Linie“ schnell Liebling der Parteioberen. Trotz deren Unterstützung fiel Schreiner zweimal bei der Wahl zum Juso-Bundesvorsitzenden durch. Seit 1980 vertritt Schreiner den Wahlkreis Saarlouis im Bundestag. Schreiners Amtsführung wird eine andere sein müssen als die seines Vorgängers Müntefering. Der repräsentierte die Partei vor allem professionell nach außen. Der neue Geschäftsführer hingegen muß die SPD- Lehre predigen, ohne der Regierung in die Parade zu fahren. Dafür scheint Schreiner in der Tat geeignet. Robin Alexander
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