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Lust auf Shoppen

Erlebniskaufhaus soll helfen gegen Flaute im Einzelhandel  ■ Aus Aachen Bernd Müllender

Sieht so ein altgedientes deutsches Kaufhaus aus? Wo es bis vor kurzem Baumwollschlafanzüge, Reisewecker und die Socken im Fünferpack gab, sind jetzt auf 12.000 Quadratmetern in fünf Stockwerken, Designerware und Trendy-Allerlei von Calvin Klein, Otto Kern oder Armani gestapelt. Für über 20 Millionen Mark ist das alte Horten-Gebäude, die klotzige Trotzburg zentral in Aachens City, komplett umdesignt worden. Es entstand der „europäische trend-store für eine neue generation“.

Die neue Variante mit dem sperrigen Kaufhausnamen „Lust for Life“ will nicht nur, wie andernorts, vielen Einzelgeschäften oder Fachfirmen ein gemeinsames Dach bieten.

Solche Mall- oder Galleria- Konzepte kennt man von der schwedischen Bekleidungsfirma Hennes und Mauritz oder in Berlin von Peek & Cloppenburg, die die Trend-Turnschuhfirma „foot locker“ mit eigenständiger Filiale in ihr Haus integriert haben. Der neue „Lust for Life“-Store sieht sich als Gesamtkaufhaus – modern, trendy, erlebnisorientiert, kurz: die „Store-Generation des 21. Jahrhunderts“.

„Lust for life“: Da ist alles ziemlich cool und kühl, und der freizeitorientierte Kunde mit locker sitzender Credit card genießt Skateboardbahn und Sauerstoffbar und Erlebnisrestaurant „tomatissimo“, dazu die „viva lounge“, von wo der Musiksender Viva gelegentlich live senden will. Viele Klamotten sind mit Phantasie-Anglizismen ausgezeichnet. Ohne Englisch, Entschuldigung: english, ist man ohnehin total lost – verloren eben – und findet nicht mal mehr das Klo, denn Toiletten heißen „conveniences“.

More cash mit Cashmere – der jetzt eröffnete Prototyp soll helfen, dem stagnierenden Einzelhandel in Deutschland (drittgrößte Wirtschaftsbranche nach Industrie und Handwerk) neue Impulse zu geben. Sieben magere Jahre beklagt der Hauptverband nun schon. 55 Prozent der Geschäfte machten 1997 weniger Umsatz als im Jahr davor, bei den Gewinnen sieht es noch schlechter aus. Im ersten Halbjahr 1998 weist der Verband ein erneutes Umsatzminus von 1,2 Prozent aus.

Hauptverlierer sind die großen Kauf- und Warenhäuser, deren Anteile am Gesamtkuchen sich seit 1967 mehr als halbiert haben, auch Läden in Citylage schlagen immer weniger los. Wenn Holger Wenzel, der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes spricht, fallen Worte wie Rückläufigkeit, Konsumtief, Talfahrt, Flaute, Sorge, Blessuren. „Eine extrem kritische Situation“, verschärft noch durch „die überfallartige Mehrwertsteuererklärung“ der alten Regierung.

Nach all dem Frust weckt „Lust for Life“ doch Optimismus in Wenzel: „Das ist doch mal ein wirklich innovatives und kreatives Konzept, sehr pfiffig, super gemacht, von allem Althergebrachten gelöst.“ Wenn Konsum eine Frage der Stimmung sei, könne die Wende in Bonn, obwohl der Verband Rot-Grün sicher nicht das Wort reden wolle, durchaus auf die aktuelle Kauflust durchschlagen – bei „Lust for Life“ mehr noch als anderswo. Die Besichtigung habe ihm „auch mit meinen 57 Jahren richtig Spaß gemacht“, obwohl offiziell die 25- bis 45jährigen die Zielgruppe sind.

Wer in Aachen „dem Lockruf der Lust“ (Werbung) zum „Gute- Laune-Shopping“ (Wenzel) erliegen will, muß indes erst an den door guards mit ihren headsets vorbei, die an den Eingängen die Security checken.

Das Pilotprojekt Aachen, hat die federführende Kaufhof-Warenhaus AG in Köln (zu der Horten gehört) gesagt, sei „ein Härtetest“. Wenn es in Aachen klappe mit dem neuen Radikalkonzept (erhoffter Jahresumsatz: 70 Millionen Mark), klappe es überall. Gemeint sind die demographischen Spezialitäten der Karlsstadt: Einerseits gibt es hier reichlich Reiche mit der bundesweit höchsten Porsche-Dichte, andererseits ein Gros an eher kaufschwachen StudentInnen und konservativen Ingenieuren.

Im Dreiländereck hofft „Lust for Life“ vor allem auf das große Kundenpotential an Niederländern und Belgiern. Gerade in den Nachbarländern gilt es Aachens schlechtes Einkaufsimage zu revidieren: Nach Jahren chaotisch inkonsequenter Verkehrspolitik von Rot-Grün glauben viele KonsumentInnen bis heute, die Innenstadt sei per Auto nicht mehr erreichbar. „Lust for Life“ will jetzt für das Gegenteil werben.

Und so freuen sich auch die kleineren Einzelhändler über die Konkurrenz: Hauptsache, sagen sie, die Leute kommen überhaupt erst mal wieder – nach angeblich 20 Prozent Minus in Aachen seit 1992.

Kaufhof plant 25 weiteren Standorte im Bundesgebiet, damit sich die fröhlichen consumer überall ein „Vollbad der Befindlichkeit“ gönnen können.

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