■ Querspalte: Schröders Schwur-Show
Soeben hat das Nobelpreis-Komitee bekanntgegeben, daß die Preisverleihung in diesem Jahr einen weniger festlich- steifen Rahmen erhält. Zwar sollten Gäste und Preisträger immer noch im Frack bzw. Kostüm erscheinen, doch wird zur musikalischen Untermalung des feierlichen Aktes erstmals ein Rockkonzert stattfinden – mit Phil Collins. Genesis statt Beethoven. Von den Verantwortlichen auch gedacht als eine besondere Ehrung für den zwar beim Publikum überaus erfolgreichen, von Kritikern und Journalisten jedoch meist verachteten Mainstream-Musiker.
Eine Entscheidung, die die neue Bundestagsverwaltung nicht ruhen ließ. Ist doch die heute stattfindende Vereidigung des neuen Bundeskanzlers ein ebenso dröger Festakt. Erst wird endlos gewählt, dann tranig geschworen, und schließlich brummt der ganze Saal lustlos die Nationalhymne. Das soll die neue Zeit und neue Mitte sein? Kurzfristig verpflichtete der Ältestenrat deshalb den Sat.1-Chef und Unterhaltungsexperten Fred Kogel, das schale Spektakel aufzupeppen. Jetzt moderieren Thomas Gottschalk und Kai Pflaume die „Große Schwur-Show“ live auf Sat.1. Treiben, um ihre Kondition zu testen, die junge Gesundheitsministerin Andrea Fischer in einem launigen Wettspiel durch die Bänke. Statt der Hymne singt Marius Müller-Westernhagen gemeinsam mit den Abgeordneten „Freiheit“. 600 Wunderkerzen liegen bereit. Und Peter Maffay knöttert auf besonderen Wunsch des neuen, ostdeutschen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse noch einmal „Über sieben Brücken darfst du gehen“.
Höhepunkt der rundum modernisierten Eid-Gala wird die Vereidigung Gerhard Schröders sein, dem der Text von Moses Pelham vorgerappt wird: „Ich, verdammter Fuck, komm aus Mossenberg und schwör, verdammter Fuck, Schaden abzuwenden vom, verdammter Fuck, deutschen Volk.“ Auf daß es, verdammter Fuck, eine schöne Schwur-Show wird. Michael Ringel
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