: "Gebt dieser Regierung doch eine Chance, Neues auszuprobieren", sagt der eine. "Die wollen doch nur nach altem SPD-Muster die Einkommen umverteilen", hält der andere dagegen. Der eine freut sich auf rot-grün, der andere fürchtet sich vor hö
„Gebt dieser Regierung doch eine Chance, Neues auszuprobieren“, sagt der eine. „Die wollen doch nur nach altem SPD-Muster die Einkommen umverteilen“, hält der andere dagegen. Der eine freut sich auf rot-grün, der andere fürchtet sich vor höheren Lohnnebenkosten. Zwei Münchner Unternehmer, gemeinsam Inhaber eines florierenden mittelständischen Betriebes, ventilieren ihre Erwartungen an die Regierung Schröder, die heute ihre Arbeit aufnimmt.
„Wir brauchen ein Bündnis für Motivation“
Sie haben dasselbe Parteibuch, und die Firma gehört ihnen gemeinsam: Erich J. Lejeune und Herbert E. Graus sind beide Mitglied der CSU, und ihre „ce“-Aktiengesellschaft in München gilt als das größte Chip-Handelsunternehmen Europas. Die beiden Unternehmer sind ein Herz und eine Seele. Nur wenn die Sprache auf die neue rot-grüne Bundesregierung kommt, sagt Lejeune „hü“ und Graus „hott“. Der eine (Lejeune) jubelt: „Das ist für den Standort Deutschland eine echte Chance!“ Der andere (Graus) legt die Stirn in Falten: „Die wollen doch nur nach altem SPD-Muster die Einkommen umverteilen!“.
Wenn der Arbeitstag hinter der Spiegelfassade des „ce“-Gebäudes am frühen Abend ausklingt – er hat schließlich schon um sieben Uhr früh begonnen –, lassen sich Vorstand und Vorstandsvorsitzender von der „lieben Frau Schäfer“ bisweilen noch ein Gläschen Weißwein in den Aufenthaltsraum bringen. Erich und Herbert sind per Du. Seit 20 Jahren arbeiten sie zusammen und haben aus der „Garagenfirma“ einen florierenden mittelständischen Betrieb gemacht (Umsatz 1997: 37 Millionen Mark). Ihr Erfolg, glauben beide, beruhte darauf, daß sie sich wie Kienzle und Hauser entsprechen: Ihre Meinungsverschiedenheiten pflegen sie auf hohem Niveau.
Lejeune macht sich gerne selbst ein Bild, und darum hat er im Wahlkampf den Kanzler und den Kandidaten besucht. „Herbert“, sagt Erich, „das war ein Unterschied wie Tag und Nacht.“ Daß Schröder in seinem Arbeitszimmer einen Computer stehen hatte und Kohl nur ein Aquarium, „Mensch, Herbert, das sagt doch alles!“. Und darum findet Lejeune, „daß die neue Regierung heute schon zweimal so gut ist wie das, was Kohl 16 Jahre lang machte. Der hat sich doch schon 1980 aus der Wirtschaft verabschiedet.“
Seine CSU-Mitgliedschaft hindert Lejeune nicht daran, die rot- grünen Regierungspläne zu loben. „Der Ausstieg aus der Atomwirtschaft ist notwendig, weil er den Einstieg in neue Technologien erst ermöglicht.“ Die Arbeitsplätze der Zukunft lägen doch schließlich bei Dienstleistung und Forschung – „das waren doch einmal die Domänen von Firmen wie Bosch und Siemens“. Weil unter Kohl die Republik unter einer geistigen Käseglocke versank, „werden wir eben jetzt zu neuen Ideen verdonnert“, sagt Lejeune, und Graus sagt: „Vorsicht!“ Er habe ja gar nichts gegen neue Ideen, „nur vernünftig müssen sie sein. Und da werde ich den Eindruck nicht los, daß das Gleichgewicht zwischen Staat, Gewerkschaften und Wirtschaft unter der neuen Regierung nicht mehr stimmt.“ Und was die Atomkraft angeht, da versteht der Herbert den Erich ganz und gar nicht. „Die Energiegewinnung ist doch keine nationale Frage. Der Wind hält sich doch auch nicht an Grenzen. Strom wird dann eben dort gekauft, wo er am billigsten ist.“
Im Büro von Lejeune hängt eine Ehrenurkunde an der Wand. Der 53jährige Shooting-Star seiner Branche wurde zum „Ehrensenator“ des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) ernannt. Ausgerechnet deren Präsident hat auf einer Pressekonferenz in Berlin Mitte Oktober vor den Gefahren der neuen Koalition gewarnt, im Gleichklang mit Hans-Olaf Henkel vom Bundesverband der Deutschen Industrie. „Der Henkel“, sagt Lejeune, „will eben immer mitreden und versteht von nichts etwas. Der ist ein echtes Auslaufmodell.“
Frau Schäfer, auch schon seit sieben Uhr auf den Beinen, schenkt nach. „Ich glaube gar nicht, daß die Grünen technologiefeindlich sind“, sagt Lejeune und Graus sagt: „Aber die beste Wirtschaftspolitik in Deutschland macht halt noch immer der Stoiber in München.“ Jetzt sind sich beide endlich einmal einig. „Aber warum geht der Stoiber dann nicht her und sagt: Gut gemacht, Herr Schröder! Wir sehen immer nur schwarz und weiß. Wir brauchen die Besten an der Spitze, wir brauchen ein Bündnis für Motivation.“
Und dann spricht die nächste Zeit nur Lejeune: „Gebt dieser Regierung doch eine Chance und starrt nicht immer nur auf Turnschuhe oder Krawatte. Laßt sie ausreden! Wo leben wir denn, daß man nicht mehr vernünftig miteinander spricht und man alles niedermacht, nur weil es ein Trittin gesagt hat. Wir müssen das Denken ändern in diesem Deutschland-Jammerland. Da wollen wir Weltklasse sein und haben nur Paragraphen im Kopf und eine riesengroße Angst vor der Zukunft...“.
Jäh setzt nun Graus zur Bodenlandung an: „Aber hör mal, Erich, wir wollen doch in den nächsten Monaten auch unser Personal aufstocken, und bei diesen Lohn-Nebenkosten ist das ein Riesenbrocken. Wenn Leistung dann auch noch bestraft wird durch hohe Steuersätze, dann will sich doch keiner mehr anstrengen. Als ob Eliten etwas Schlechtes wären. Auf dem Fußballplatz will sie doch auch jeder sehen...“
In einer Firmenbeschreibung hat Erich Lejeune seinen Partner mal „einen ruhig überlegenden Manager“ genannt, „der im laufenden Geschäft jedes Risiko sorgfältig abwägt“. Sich selbst umschrieb der Chip-Händler als „Verkäufer mit tausend Ideen“. Der eine eher bedächtig, der andere ein Heißsporn, sind beide in ihrer Haut gefangen. Lejeune sieht die Chancen und Graus die Gefahren. „Suchen Sie sich nur solche Partner“, hat Lejeune in einem seiner Bücher geschrieben, „die über Fähigkeiten verfügen, die Sie nicht haben.“
Wenn die beiden ungleichen Unternehmer auf Jost Stollmann zu sprechen kommen, können sie wieder gemeinsam mit dem Kopf nicken. Den hätten beide gern an Schröders Seite gesehen, „weil ich bei ihm eine intellektuelle Kraft verspürte“ (Lejeune) und „weil er die Belange der Wirtschaft verstanden hat“ (Graus). Aber nun ist er nicht mehr, „weil er den Hühnerstall nicht parfümieren wollte“ (Lejeune) oder vielleicht auch, „weil Lafontaine ein harter Knochen ist“ (Graus). Aber dann geht es schon wieder los, als Jaguar- Fahrer Lejeune nach einer kleinen Pause meint: „Also zwei Mark für den Liter Benzin hätte ich schon verkraftet. Dieses Reförmchen mit dem Benzinpreis enttäuscht mich. Irgendwo muß doch das Geld für Innovationen herkommen.“ Graus hat sein Stichwort: „Die holen es bei uns Unternehmern und ignorieren, daß nur profitable Firmen auch Arbeitsplätze schaffen. Das ist der falsche Ansatz. Der Spitzensteuersatz muß runter, der Einstiegssatz rauf, und alle indirekten Subventionen müssen weg. Wir sind doch schließlich keine Ausbeuter, die man bestrafen muß.“
Die beiden hatten sich früher durchaus schon einmal überlegt, ihren Firmensitz ins Ausland zu verlagern. „Im Zeitalter der globalen Kommunikation ist es für uns keine Frage. Wir können dieselbe Arbeit auch von Las Vegas aus machen“, sagt Lejeune. Und blieb dann doch in München. „Man kann in Deutschland noch hervorragend wachsen, nur müssen wir endlich aufwachen und unsere Köpfe auslüften.“
Im Büro vor dem Aufenthaltsraum sind die Lichter ausgegangen. „Wenn die nur jemanden hätten, der sie in Wirtschaftsfragen gut berät“, sagt Graus, trinkt sein Glas aus und wünscht Lejeune eine „gute Nacht“. „Bis Morgen, Herbert“, sagt Erich, „ich habe da keine Angst.“ Philipp Maußhardt, München
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