■ Kosovo: Was hat die Nato mit Ablauf des Ultimatums erreicht?: Fragen über Fragen
Die Fernsehbildschirme zeigen seit Montag nachmittag serbische Panzerkolonnen, die sich irgendwo im Kosovo von A nach B bewegen. Es ist immer dieselbe Kolonne. Belgrader Medien verkündeten bereits gestern morgen, der im Abkommen zwischen Milošević und Holbrooke vereinbarte „Abzug“ von Armeetruppen und Einheiten der Sonderpolizei sei „vollständig abgeschlossen“. Kurz darauf berichtet ein amerikanischer Sprecher der noch nicht richtig installierten OSZE-Überwachungsmission, allein am Montag hätten 4.000 serbische Sonderpolizisten den Kosovo verlassen. Und wenige Stunden vor Ablauf des Nato-„Ultimatums“ gestern abend bescheinigt der britische Außenminister Cook Milošević „ernsthafte Fortschritte“ bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen aus der Vereinbarung mit Holbrooke.
Alles in Butter? Mitnichten. Was ist erreicht worden, außer daß die Nato und Belgrad einen für beide Seiten akzeptablen Weg gefunden haben, um die von der Allianz seit zwei Wochen mit abnehmender Glaubwürdigkeit angedrohten Luftangriffe auf Serbien zu vermeiden? Wir wissen es nicht. Denn die zwischen Holbrooke und Milošević ausgehandelte Vereinbarung vom 12. Oktober ist bis heute nicht veröffentlicht worden. Ebensowenig die „Präzisierungen“, die hohe Nato-Vertreter seitdem mit Milošević ausgehandelt haben. Diese Geheimniskrämerei erlaubt den Beteiligten, die Öffentlichkeit nach Belieben zu manipulieren. Was wurde vereinbart? Mit Sicherheit nicht der „völlige Abzug“ der serbischen Militär- und Polizeieinheiten aus dem Kosovo, wie nach dem 12. Oktober zunächst kolportiert wurde, sondern nur ein Teilrückzug. Aber Reduzierung in welchem Umfang und auf Basis welcher Ausgangszahlen? Die Formel der Nato, die von einer Verringerung der bewaffneten Kräfte, bezogen auf die Größenordnung vor Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen im März dieses Jahres, ausgeht, übersieht, daß die entscheidende Verstärkung der serbischen Militär- und Polizeieinheiten bereits ab November 97 stattgefunden hat.
Und Rückzug wohin? In den Teil Serbiens außerhalb des Kosovo? Oder lediglich in Kasernen und Baracken im Kosovo, von wo die Militär- und Polizeieinheiten binnen weniger Stunden gegen die Albaner mobilisiert werden können?
Fragen über Fragen, ohne deren Klärung die Mehrheit der 300.000 Flüchtlinge nicht in ihre Dörfer zurückkehren werden. Zumal es wegen der ungeklärten Sicherheitslage noch immer nicht so aussieht, als würde die geplante 2.000 Personen starke Überwachungsmission der OSZE in den nächsten Wochen tatsächlich Realität. Andreas Zumach
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