: Kapital hat doch Mut zum Risiko
Allen Unkenrufen zum Trotz mangelt es in Deutschland nicht an Geld für Existenzgründer. Mitzubringen ist aber auf jeden Fall ein Minimum an Eigenkapital ■ Von Hermannus Pfeiffer
Hamburg (taz) – Eins hat sich in Bonn nicht geändert: das Klagen über den angeblichen Mangel an Risikokapital. Die neue Bundesregierung will dem allerdings aktiv abhelfen, im Koalitionsvertrag versprechen SPD und Grüne, „die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Mobilisierung von Wagniskapital neu zu gestalten“. Nötig ist das allerdings nicht: Tatsächlich wartet jede Menge Risikokapital vergeblich auf Abnehmer.
Eine wichtige Quelle für angehende Unternehmer bietet immer noch der Marshallplan. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die künftig unter der Führung von SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier arbeiten wird, verwaltet dieses sogenannte ERP-Sondervermögen: Durch dieses „European Recovery Program“ (ERP) wurden im vergangenen Jahr über Eigenkapitalhilfen und Existenzgründungsdarlehen mehr als 30.000 Firmengründungen finanziert – mit im Schnitt jeweils drei Arbeitsplätzen. Dazu schüttete der Bund rund 18 Milliarden Mark an Darlehen für Investitionen von kleinen und mittleren Firmen aus. Zudem flossen neun Milliarden Mark aus den Töpfen der bundeseigenen Deutschen Ausgleichsbank. 1998 sollen allein mit den ERP-Krediten Investitionen von rund 30 Milliarden Mark unterstützt werden, davon 40 Prozent im Osten.
Bei kompetenter Beratung – nicht jede Bank oder Sparkasse zeigt sich fit und willig – sowie einer Gründung in der richtigen Branche summieren sich die öffentlichen Fördermittel – meist in Form von billigen Krediten – auf bis zu 90 Prozent des Startkapitals.
Auch die Kreditwirtschaft läßt sich die Investitionen von Unternehmen einiges kosten. So teilt der Bundesverband deutscher Banken (BdB) mit, daß zur Finanzierung von Investitionen aller Art allein in den neuen Ländern im vergangenen Jahr fast 115 Milliarden Mark von Banken und Sparkassen bereitgestellt worden seien. „54 Prozent haben die privaten Banken vergeben“, heißt es beim BdB.
Aber auch diese Erfolgsmeldungen belegen ein Manko: Es ist weiterhin ein Bankkredit, der in Deutschland typischerweise als „Risikokapital“ bereitgestellt wird. Ein solcher Kredit ist meist teuer und muß, anders als eine Beteiligung am Eigenkapital, getilgt werden. Für Kleingewerbe und Handwerk ist das jedoch die einzige Chance, Geld für eine Firmengründung zusammenzubekommen.
„Es hat sich doch einiges gebessert“, tröstet Peter Pietsch, der in der Commerzbank für Risikokapital zuständig ist. Insbesondere der Neue Markt an der Frankfurter Börse, mit seinen niedrigen Zulassungshürden für einen Börsengang, habe auch kleineren Unternehmen Aktienchancen eröffnet. Allerdings sind diese Börsengänger längst in ihrem Markt etabliert. Ansonsten dürfe auch von den Banken kein Finanzwunder erwartet werden. Eine extreme Risikofinanzierung, wie Anfang der Neunziger die legendäre Ost-Milliarde, sei letztlich nutzlos. Politisch motiviert sei in Unternehmen investiert worden, bei denen die Pleite absehbar war.
Wenn es nicht zu einer Gründungsfinanzierung komme, so ein Sprecher der Ausgleichsbank, liege dies am falschen Konzept des Möchtegern-Unternehmers, an schlechten Marktaussichten oder daß eine Kreditfinanzierung eben für ein kühnes Geschäft falsch sei. Risikokapital zu beschaffen sei schwieriger als Kredite, aber allemal möglich: „Das Angebot von Risikokapital ist zuletzt geradezu in die Höhe geschossen!“ Nicht zuletzt, weil es sich inzwischen kein Bundesland mehr nehmen läßt, neue Wagnistöpfe aufzustellen. Jedoch mangele es manchmal den Nehmern an der „richtigen Mentalität“, denn die Mitsprache eines fremden Kapitalgebers sei oft unerwünscht, sagt Jörn Schüßler von der Handelskammer Hamburg.
Einen Mangel sieht der Volkswirt lediglich beim „Seed Capital“, also der Finanzierung von Ideen. Selbst dabei wähnen sich die Sparkassen vorne. Sie verweisen insgesamt auf die „stolze Zahl“ von 70 Beteiligungsgesellschaften, die Firmen direkt oder indirekt Eigenkapital bereitstellen. Allein 1997 seien so mehr als 120 Unternehmen 640 Millionen Mark zur Verfügung gestellt worden.
Kapital zu beschaffen sei so leicht wie nie in den letzten Jahrzehnten, macht Peter Wildgruber von der Handwerkskammer Hamburg ebenfalls in Optimismus. Nur „wer nichts hat“, habe es schwer, da ein Minimum von Eigenkapital mitzubringen sei. Heikel seien auch Kleinstgründungen, etwa der Malermeister, der für Kleinlaster, PC und Tapeziertisch 60.000 Mark investieren wolle. Auch dafür ständen zwar öffentliche Fördertöpfe bereit, aber am Ende müßten bei der Hausbank fünf verschiedene Konten geführt werden. Angesichts solch eines Arbeitsaufwandes zeige manche Bank noch Desinteresse, schließlich kalkuliere sie mit 3.200 DM an internen Kosten pro Finanzierung. Folglich läßt sich mit Peanuts-Krediten kurzfristig kaum Geld verdienen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen