: Schritt zur geschlossenen Wohnungstür
Konsequenzen aus Tonndorfer Mord: neue Jugendwohnung in Bergedorf ■ Von Elke Spanner
Das Konzept „Menschen statt Mauern“ wird ab kommender Woche in eine neue Form gegossen. In Bergedorf richtet der „Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung (LEB)“ eine Jugendwohnung ein, in der straffällige Jugendliche zur Vermeidung der Untersuchungshaft sowie Kids untergebracht werden, die einen erhöhten Betreuungsbedarf haben.
Insgesamt acht Jugendliche werden rund um die Uhr mit ebensovielen PädagogInnen zusammen sein. Häuser mit derart intensiver Aufsicht einzurichten, hatte der Hamburger Senat unter Federführung von Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) im Sommer beschlossen. Damals war die Unterbringung straffälliger Jugendlicher scharf attackiert worden, nachdem zwei junge Männer in Tonndorf den Lebensmittelhändler Willi Dabelstein ermordet hatten. Die Jugendvilla am Pulverhofsweg wurde geschlossen.
Das neue Konzept hat der LEB zusammen mit der Justizbehörde und dem Amt für Jugend erarbeitet. Zwei solcher Einrichtungen soll es in Hamburg geben, neben der in Bergedorf ab 1999 eine weitere im Bezirk Nord. Dort sollen jeweils drei Jugendliche leben, die ansonsten im Untersuchungsgefängnis landen würden, dazu kommen fünf Mädchen oder Jungen, die als stark betreuungsbedürftig gelten.
Die Besonderheit liegt vor allem im Personalschlüssel: „Wenn wir von ,Menschen statt Mauern' sprechen“, so Bettina Bormann vom LEB, „dann muß es auch die Menschen geben, die sich intensiv und rund um die Uhr um die Jugendlichen kümmern.“
Die Stimmen, die aus den Jugendhilfeausschüssen der einzelnen Bezirke zu vernehmen sind, schlagen andere Töne an. Die Gremien haben sich gegen das Konzept ausgesprochen – ungefragt, denn in die Planung einbezogen wurden sie nicht. Die JugendpolitikerInnen fürchten, so Cornelia Frieß von der GAL, daß mit derartigen „Spezialeinrichtungen“ das „Abschiebesystem in der Jugendhilfe wieder eingeführt wird“. Zudem seien acht Jugendliche für ein Haus zuviel.
Auch die Bergedorfer SPD-Fraktion votiert gegen das Konzept. „In den Häusern werden geballt Probleme aufeinandertreffen“, sagt Peri Arndt, die für die Partei im Jugendhilfeausschuß sitzt. Sie fürchtet Schaden für die übrigen Kids, wenn diese mit Straffälligen „in einen Topf geworfen werden“. „Das Konzept krankt an allen Stellen“, resümiert GALierin Frieß. „Wenn es scheitert, wird der nächste Schritt die Wiedereinführung geschlossener Heime sein.“
Im Bezirk Nord wird sich der Jugendhilfeausschuß am kommenden Mittwoch mit dem LEB-Plan befassen. Ändern kann er daran nichts, denn zuständig ist allein der Hamburger Senat, erklärt die Bezirksamtsleiterin von Bergedorf, Christine Steinert. Sie hält die neue Einrichtung für einen „überzeugenden Schritt“ und den Standort in ihrem Bezirk, eine ehemalige Schule, für „sehr geeignet“.
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