piwik no script img

Krach um Garzweiler vertagt

Nach ersten Mißtönen bremsten sich die Kontrahenten um den Aushub der Kohlegrube noch einmal. SPD wie Grüne betonten, die Koalition nicht gefährden zu wollen  ■ Von Beate Willms

Berlin (taz) – „Es hat ein bißchen gerumpelt“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement harmlos. Das heiße aber nicht, daß die rot- grüne Koalition in Düsseldorf an dem neuaufgeflammten Streit um ihren Lieblingsknackpunkt Garzweiler II auseinanderbrechen müsse. „Jetzt, wo wir in Bonn gerade so weit sind“, sagte er, „sollten wir nicht von hier aus für neue Unruhe sorgen.“

In dieser Frage war er sich immerhin mit den Grünen einig. „Wir können das Projekt jetzt nicht an diesem Punkt scheitern lassen“, sagte am Vormittag besorgt Claudia Fasse, die Pressesprecherin der grünen Umweltministerin Bärbel Höhn. Erst am späten Nachmittag war dann klar: Die beiden Parteien wollen sich Zeit nehmen, um zu entscheiden, wie sie mit der anstehenden wasserrechtlichen Genehmigung für Garzweiler II umgehen wollen. Eine endgültige Entscheidung soll erst heute fallen.

Am Dienstag abend hatte die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn – unter Druck gesetzt durch eine undichte Stelle, die die Presse bereits informiert hatte – offiziell den Weg für den umstrittenen Braunkohletagebau Garzweiler II freigemacht und ihren Entwurf für die wasserrechtliche Genehmigung vorgestellt.

Das Papier war bereits am Dienstag in Absprache mit dem zuständigen Landesoberbergamt an die Regierungspräsidenten in Köln und Düsseldorf und das Braunkohleunternehmen Rheinbraun verschickt worden, die noch angehört werden müssen, bevor die Genehmigung tatsächlich erteilt werden kann.

Der Entwurf kommt einer Genehmigung auf Widerruf gleich. Das Unternehmen dürfte demnach mit dem Abpumpen des Grundwassers, der sogenannten Sümpfung beginnen – müßte sich aber darauf gefaßt machen, daß das ganze Vorhaben noch gestoppt wird, falls sich herausstellt, daß die Feuchtgebiete im Schwalm-Nette- Park an der deutsch-niederländischen Grenze doch gefährdet sind. „Das war nötig, weil Rheinbraun beispielsweise noch gar keinen Antrag auf Versickerung gestellt hat, also nicht klar ist, wie es dabei vorgehen will“, verteidigte Fasse die Klausel.

Außerdem will Höhn die Genehmigung zunächst bis zum Jahr 2017 begrenzen, um „zu sehen, ob die Feuchtgebiete dann noch feucht sind“. Rheinbraun hatte in den vergangenen Jahren immer wieder erklärt, man habe „alles im Griff“. Über Sickergruben und -brunnen werde genug Wasser wieder in den Boden geleitet, um zu verhindern, daß das Gebiet austrockne. Auch der riesige See, der nach Abschluß der Arbeiten zurückbleiben wird, werde die Trinkwasserqualität nicht beeinflussen. „Warum regen die sich denn so auf“, fragt Fasse spitz, „wenn sie die Auflagen doch erfüllen können.“

Ein Sprecher von Rheinbraun erklärte jedoch, das Unternehmen erwarte und verlange eine eindeutige Genehmigung. Mit dem Junktim bleibe die Frage, ob Garzweiler II überhaupt genehmigt werde, weiter offen. Da Rheinbraun Milliardenbeträge investieren wolle, müsse es aber irgendwann auch selbst entscheiden können, wann, wo und wie es weitergeht. Und auch, ob überhaupt: Innerhalb des Mutterkonzerns RWE war die Wirtschaftlichkeit des ganzen Vorhabens bereits mehrfach in Frage gestellt worden. Auch bei der IG Bergbau, Chemie und Energie und dem Koalitionspartner SPD sorgten die Bedingungen Höhns für Unmut. Schließlich, so die mit der Rheinbraun-Äußerung übereinstimmende Argumentation, brauche „das Unternehmen Planungssicherheit“. Der Vizechef der Gewerkschaft, Klaus Südhofer, warf Höhn sogar vor, der Entwurf verstoße „gegen Recht und Gesetz“, und forderte „Rückzug oder Rücktritt“ der Umweltministerin.

Kein Wunder, daß sich Ministerpräsident Wolfgang Clement gestern zu einem Balanceakt genötigt sah: Einerseits wollte er den grünen Koalitionspartner nicht komplett düpieren – Höhn hatte schon die eingeschränkte Erlaubnis als „ein Stück weit eine Niederlage“ bezeichnet. Andererseits steht er bei Rheinbraun und vor allem der Gewerkschaft im Wort. So bemühte er sich in erster Linie um Deeskalation – und traf offenbar auch bei Höhn auf Gesprächsbereitschaft: „Über diesen Entwurf kann und muß man auch noch reden“, sagte sie. Wie aus Fraktionskreisen zu hören war, geht es dabei vor allem um eine Neuformulierung der Widerrufsklausel. „Wenn Rheinbraun wirklich Mist macht, kann man seine Aktivitäten auch so stoppen“, hieß es. Auch das Landesoberbergamt sah Kompromißchancen. „Wir sind gehalten, Einvernehmen mit den Regierungspräsidenten herzustellen“, sagte Amtschef Hans-Jürgen von Bardeleben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen