: Walter Momper servierte Schwarzbrot
Der frühere Regierende Bürgermeister tritt mit einer inhaltsschweren Grundsatzrede zur SPD-Spitzenkandidatur an und wirbt für eine rot-grüne Reformkoalition. Seine Kritik an der Großen Koalition fällt überraschend milde aus ■ Von Dorothee Winden
Im überfüllten Foyer des Willy- Brandt-Hauses werden Devotionalien verteilt: Auf kleinen gelben Plastikkärtchen mit Fotos von Gerhard Schröder und Walter Momper prangt der Slogan „Schröder für Deutschland. Momper für Berlin.“ Die Momper-Fans sind für den innerparteilichen Wahlkampf gewappnet. Rund fünfhundert Gäste drängen sich in der Parteizentrale, als der frühere Regierende Bürgermeister Walter Momper am Donnerstag abend bekanntgibt, was lange erwartet worden war: Er tritt zur Urwahl um die SPD-Spitzenkandidatur an.
Momper begrüßt Freunde, gibt sich galant und charmant. Die Friedrichshainer Abgeordnete Gerlinde Schermer wird mit einem formvollendeten Handkuß begrüßt. Im blauen Blazer und einer Krawatte, auf der Segelschiffe kreuzen, präsentiert sich Momper als verläßlicher Steuermann. „Ich bin einige Jahre älter geworden und bin nicht mehr derselbe wie vor zehn Jahren.“ Viel gelassener sei er geworden. „Ich habe eine Menge gelernt.“ Momper, der Regierende Bürgermeister der kurzlebigen rot-grünen Koalition von 1989/90, bescheinigt auch den Grünen, daß sie sich zu einer „realistischen und pragmatischen Partei“ entwickelt hätten.
Momper wirbt für eine Reformkoalition von SPD und Grünen, „die sich wieder aktiv in die Entwicklung der Stadt und ihrer Gesellschaft einschaltet“. Seine Kritik an der Großen Koalition, die ihn in einem Stern-Interview diese Woche noch an eine „Bananenrepublik“ erinnert hatte, fällt erstaunlich moderat aus. „Ich will die Leistungen der Großen Koalition nicht herabsetzen oder schmälern“, sagte er versöhnlich. Die Große Koalition habe die Stadt „ordentlich verwaltet“. Allerdings habe sie sich wie „Mehltau“ über Berlin gelegt und müsse „nach dieser Legislaturperiode“ beendet werden. Kein Wort von vorgezogenen Neuwahlen.
Zum Zustand der eigenen Partei merkt Momper kritisch an, es sei weder ein fortschrittlich-reformerisches noch ein klares soziales Profil der SPD erkennbar. Dafür gibt es starken Beifall, der sonst nur verhalten aufkommt. Momper präsentiert sich ernst und seriös, keine Spur von dem Poltergeist, als den man ihn in Erinnerung hatte. Aber mitreißend ist seine inhaltsschwere Grundsatzrede nicht, vielmehr wähnt man sich in einer Vorlesung: Als Kernpunkte seines Reformprogramms nennt Momper die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, ohne jedoch konkret zu werden. Er fordert eine soziale Stadtentwicklungspolitik und verstärkte Anstrengungen in der Bildungs- und Schulpolitik. In der Wirtschaftspolitik will er sich für eine aktive Ansiedlung von Unternehmen einsetzen und fordert eine „technologieorientierte Existenzgründungspolitik“. Es ist fast eine Regierungserklärung. „Das war Schwarzbrot, das weiß ich wohl“, entschuldigt er sich am Ende des fast einstündigen Referats. Aber er habe seine Kandidatur auch inhaltlich begründen wollen.
Dann geht Momper auf seine größte Imageschwäche ein: „Ich gelte in der Politik als autoritär. Ich will das gar nicht dementieren, da lachen Sie ja nur.“ Aber er verstehe Politik als Führung. „So gesehen polarisiere ich natürlich.“
So stellt eine Zehlendorfer Genossin auch gleich die Kardinalfrage: Im Bundestagswahlkampf habe sich die Geschlossenheit der Partei ausgezahlt. Die Berliner Urwahl, bei der die 22.000 SPD-Mitglieder am 17. Januar den Spitzenkandidaten küren, führe jedoch zu einer Konkurrenz der Kandiaten. „Wie willst du in Berlin Geschlossenheit herstellen?“ will die Genossin wissen.
Mompers Antwort, daß sich über die Einigkeit in Sachfragen auch innerparteiliche Einigkeit herstellen läßt, überzeugt das Publikum nicht so recht. „Ich werde niemanden ausgrenzen“, verspricht er und schließt ausdrücklich die anderen Bewerber um die Spitzenkandidatur ein – SPD- Fraktionschef Klaus Böger und möglicherweise auch Umweltsenator Strieder.
In einer Lobeshymne läßt eine Schöneberger Genossin den Mythos Momper wieder aufleben: „Die Stadt braucht einen, der selbst ein Stück Berliner Kultur ist. Momper paßt zu dieser Stadt. Das müssen wir der Berliner SPD klarmachen. Denn die Menschen in dieser Stadt haben es längst begriffen.“ Es ist schon erstaunlich, wie es immer wieder gelingt, den gebürtigen Bremer als Berliner Urgestein zu inszenieren.
Die Rede des Abends hält Momper-Freund Wolfgang Nagel: „Es ist der letzte Versuch für Momper“, beschwört der frühere Bausenator die Anwesenden. „Wir sind zum Erfolg verurteilt.“ Die Momper-Fans sind bereit: Ein „Wahlbüro“ wird den innerparteilichen Wahlkampf managen. Mitte November findet ein „Unterstützertreffen“ für Genossen statt, die in der Momper-Kampagne aktiv werden wollen. Das Team von Unterstützern, das mit einem hohen Grad an innerer Überzeugung für ihn wirbt, ist Mompers Trumpf.
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