Niedersachsens Haushaltsnöte: Schmerzhafte Schnitte
■ Trotz Sparkurs will das Land neue Schulden machen / Milliardenloch 1999
Hannover. Schon seit Monaten brüten die Fachleute darüber, die Opposition hat das Ergebnis mehrfach angemahnt, jetzt muß die Regierung Farbe bekennen. Für den Doppelhaushalt 1999/2000 schlägt die „Woche der Wahrheit“. Bis zum kommenden Samstag will die SPD-Landesregierung den Etatentwurf unter Dach und Fach bringen. Die Vorgaben von Ministerpräsident Gerhard Glogowski (SPD) aus der Regierungerklärung sind eindeutig: „Wir werden weiterhin eisern sparen müssen.“ Und: „Die Situation der Landesfinanzen erzwingt weitere Kürzungen und schmerzhafte Einschnitte.“
Ein Blick auf die Zahlen macht deutlich, warum Glogowski diese drastischen Sparappelle ausgab. Auf rund 3,9 Milliarden Mark belief sich ursprünglich die Summe, die Finanzminister Heinrich Aller für beide Jahre im Etat fehlte. Mitte Oktober bezifferte Sigmar Gabriel, der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag, die Deckungslücke allein für 1999 noch auf 0,6 bis 1,2 Milliarden Mark. Bei der günstigen Variante waren Einnahmen von gut 500 Millionen Mark aus dem geplanten Zusammengehen der Norddeutschen Landesbank mit der Bankgesellschaft Berlin einberechnet. Da dieses Vorhaben vorerst auf Eis gelegt wurde, gilt nun die ungünstige Variante.
Der Finanzminister will vor den entscheidenden Beratungen nicht preisgeben, wie groß der „Handlungsbedarf“ ist. Eines steht für ihn aber fest: Nur mit Einsparungen ist das Problem nicht zu lösen. Die Obergrenze für die Neuverschuldung, die laut mittelfristiger Finanzplanung in jedem der zwei Jahre bei 2,3 Milliarden Mark liegen soll, sei nicht mehr zu halten. „Die 2,3 Milliarden bleiben das Ziel. Aber realistisch ist das nicht zu erreichen.“ Seine neue Vorgabe: „So nah wie möglich an die 2,3 Milliarden herankommen“.
So werden Aller und Glogowski Einzelgespräche mit allen Ressortchefs führen, um schon möglichst viel an Ein-sparungen zustande zu bringen. In einer Klausursitzung wird das Kabinett dann die politisch brisanten Entscheidungen treffen. Die dabei auf dem Tisch liegende Liste werde „noch genügend Sprengstoff“ enthalten, sagt Aller voraus.
Denn klar ist, daß es mit Kürzungen nur bei den freiwilligen Leistungen des Landes nicht mehr getan ist. Diesmal wird die Regierung auch in Leistungen eingreifen müssen, die gesetzlich oder vertraglich festgelegt sind. Frei nach Glogowskis Motto: „Verträge sind Menschenwerk. Menschenwerk ist veränderbar.“ So wird das Kabinett entscheiden müssen, ob es Abstriche bei den Beihilfen für Beamte oder bei den Standards von Kindertagesstätten geben soll. Dies sind zwei der „heiligen Kühe“, über deren Schlachtung die Regierung nachdenkt.
Ulrich Steinkohl, dpa
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