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Netanjahu läßt die Bulldozer rollen

In Ost-Jerusalem werden weiter Siedlungen gebaut. Die Kabinettsabstimmung über das Abkommen von Wye hat Israels Regierungschef verschoben. Vorher müssen die Rechten zufriedengestellt werden  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

In aller Frühe haben gestern morgen die Bauarbeiten auf einem Hügel in Ras al-Amud im arabischen Ostteils Jerusalems begonnen. Bulldozzer planierten die steinige Fläche. Bauarbeiter begannen mit der Umzäunung des Geländes. Demonstranten der israelischen Friedensbewegung wurden festgenommen.

Von dem Gelände hat man einen imposanten Blick auf die Altstadt und den Haram asch-Scharif mit Felsendom und die al-Aksa- Moschee. Es liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum jüdischen Friedhof auf dem Ölberg. Ein Gebäude am Rande des Geländes war vor einem Jahr von der jüdischen Siedlerorganisation Ateret Cohanim besetzt worden. Mit der finanziellen Unterstützung des jüdisch- amerikanischen Millionärs Moskowitz waren das Gebäude und das angrenzende Land gekauft worden. Bislang wohnen in dem Haus zwei jüdische Siedlerfamilien und sechs Jeschiva-Studenten. Der Jerusalemer Stadtrat hatte bereits im vergangenen Jahr die Genehmigung zum Bau von 132 jüdischen Wohneinheiten auf dem Gelände erteilt. Der Baubeginn war jedoch auf Drängen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu immer wieder verschoben worden. Noch in der vergangenen Woche, am Tag nach der Unterzeichnung des Wye-Abkommens, hatten Mitglieder von Ateret Cohanim versucht, einen Zaun um das Gelände zu errichten. Sie wurden jedoch von der israelischer Polizei daran gehindert. Laut Presseberichten gab Netanjahu dann aber am Freitag seine Zustimmung zum Baubeginn. Dies dürfte auch eine Demonstration zugunsten der Siedler sein, deren Opposition gegen das Wye-Abkommen damit gedämpft werden soll.

In einem Begleitbrief zum Wye- Abkommen, das von US-Außenministerin Madeleine Albright an Israelis und Palästinenser gerichtet ist, hatte diese gefordert, „einseitige Maßnahmen“ zu unterlassen, um den Friedensprozeß nicht zu gefährden. Doch bereits in der vergangenen Woche erklärte Netanjahu, der Ausbau von Siedlungen werde weitergehen.

Zugleich wurden gestern Hunderte Sicherheitskräfte beauftragt, Angehörige der israelischen Zivilverwaltung im Westjordanland zu begleiten, als diese neue Umgehungsstraßen für die israelischen Siedlungen erkundeten. Diese Umgehungsstraßen können nur gebaut werden, wenn zuvor arabisches Land enteignet wird. Die Zivilverwaltung rechnet mit heftigem Protest der arabischen Eigentümer. Die erste Straße in Richtung der israelischen Siedlung Efrat bei Bethlehem soll bereits in dieser Woche gebaut werden. Trotz Protesten der Siedler in Efrat soll diese Straße auch von Palästinensern befahren werden dürfen.

Die Abstimmung im israelischen Kabinett über das Wye- Plantation-Abkommen wurde von Netanjahu gestern erneut hinausgezögert. Vor einer Ablieferung eines detaillierten palästinensischen Sicherheitsplans will Netanjahu seinem Kabinett die Abstimmung über das Wye-Abkommen nicht zumuten. Die Palästinenser haben angekündigt, einen entsprechenden Plan heute den US-Amerikanern zu übergeben.

In Tel Aviv erinnerten am Samstag abend etwa 200.000 Menschen an den dritten Jahrestag der Ermordung von Ministerpräsident Jitzhak Rabin. Die Demonstranten trugen Schilder mit der Aufschrift: „Wir müssen seinen Weg fortsetzen“ und „Mein Freund, du wirst vermißt“. Erstmals sprachen auch Minister der rechtsgerichteten Regierung auf der Kundgebung. Verteidigungsminister Jitzhak Mordechai sagte: „Drei Kugeln töteten Jitzhak Rabin, aber sie werden niemals sein Erbe töten, das da heißt, Israels Sicherheit zu stärken und den Frieden zu fördern.“ Netanjahu sagte auf einer Pressekonferenz in Jerusalem lediglich, auch er habe ein „tiefempfundenes Mitleid und einen furchtbaren Schock“ über den Mord empfunden. An der Revision von Rabins Erbschaft will er allerdings weiterhin arbeiten.

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