: Ganzheitlich anonym
Sieben Stunden warten: Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Ausländerbehörde. Arbeitsgruppe für mehr „Kundenfreundlichkeit“ geplatzt ■ Von Elke Spanner
Ein „historisches Datum“, jubilierte gestern die Innenbehörde, sei für die in Hamburg lebenden nichtdeutschen BürgerInnen zu vermelden. Mit der schrittweisen Dezentralisierung der Ausländerbehörde beginne das Zeitalter der „kundenfreundlichen Organisation“, das Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) jüngst versprochen hatte. An diesem historischen Datum jedoch legte der Rechtsanwalt Ernst Medecke eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Leiter der Ausländerbehörde ein – weil Kundenfreundlichkeit zumindest für Flüchtlinge in der Ausländerbehörde nicht gilt.
Am Montag habe ein Wachdienst-Mitarbeiter Medeckes Beschwerde über die mehr als dreistündige Wartezeit mit dem Bekenntnis abgeblockt, andere würden schließlich sogar sieben Stunden warten. Zudem, so Medecke, bekommen viele Flüchtlinge ihren Sachbearbeiter nicht einmal zu Gesicht. Zwar wird das von der Ausländerbehörde bestritten: „Es gibt eine Anweisung, daß die Papiere immer dem Betroffenen persönlich auszuhändigen sind“, sagt Amtssprecher Norbert Smekal. Doch die MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde, die Duldungen erteilen, sitzen in Büros hinter einem Absperrgitter, das von Wachleuten eines privaten Sicherheitsdienstes bewacht wird. Und Anwalt Medecke beobachtete, daß die SachbearbeiterInnen die bearbeiteten Papiere einfach durch den Wachdienst an die Leute rausreichen lassen – und nur vereinzelt zum Gespräch aufrufen.
Üblich sei es, bestätigt Smekal, daß die Flüchtlinge ihre Wartenummer und Ausweispapiere bei den Wachleuten abgeben müssen, die sie dann in den uneinsehbaren Bürotrakt weiterleiten. Aus „arbeitsökonomischen Gründen“ werde so verfahren, sagt Smekal. Aus ebensolchen Gründen scheinen sich die SachbearbeiterInnen das Gespräch mit ihren KlientInnen zu sparen.
„Wenn von der Weisung abgewichen wurde, die Papiere persönlich auszuhändigen, war das falsch“, bestätigt Smekal. Die Vorwürfe werden nun geprüft.
Daß es erstrebenswert wäre, die Flüchtlinge nicht nur zum Sachbearbeiter vorzulassen, sondern daß dieser möglichst während des gesamten Aufenthaltes stets derselbe sein sollte, befanden Mitglieder einer Arbeitsgruppe, die eine Umstrukturierung der Ausländerbehörde vorbereiten sollte. Das sieht der Koalitionsvertrag zwischen SPD und GAL vom November vorigen Jahres ausdrücklich vor. Der Vertreter der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer, Hartmut Jacobi, Anne Harms von der Beratungsstelle Fluchtpunkt, der Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche, Bernd Eichhorn, und Cornelia Ganten-Lange vom Hamburger Arbeitskreis Asyl entwarfen das Konzept der „ganzheitlichen Sachbearbeitung“.
Mitte September jedoch stiegen sie aus der Arbeitsgruppe aus. Harms: „Es wurde deutlich, daß keine Veränderung der Ausländerbehörde gewünscht wird.“
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