: Die Spuren Duchamps
■ Das Instituto Cervantes präsentiert bei Rabus junge spanische Kunst
in Zimmer verwandelt sich übergangslos in die Gangway eines Flughafens. In einer Kommode stolziert eine ausgestopfte Ente auf einem halben Dutzend Aschenbechern herum. Ein rotes Herz hängt aufgespießt in einem Drahtgerüst. Und dann kommt einer namens Manuel Fontán del Junco, wirft das Wort Duchamp in den Raum und fragt mal eben ganz rhetorisch „Wie spanisch ist zeitgenössische spanische Kunst?“ So jetzt geschehen und zu sehen in der Galerie Katrin Rabus, in der man sich diese Frage auch beantworten kann, denn in den Räumen an der Findorffer Plantage hängen und stehen seit gestern rund 40 Ejemplos von zwölf KünstlerInnen zur Anschauung herum.
Manuel Fontán del Junco ist Leiter der bei Spanisch-SchülerInnen überaus beliebten Bremer Filiale der Institutos Cervantes'. Der spanische Kulturbotschafter hat gleichwohl tief in seinen Kulturetat greifen müssen, um erstens die junge spanische Kunst nach Bremen zu holen und zweitens in einem vergnüglich-klugen Essay eben diese drei Begriffe „jung“, „spanisch“ und „Kunst“ wieder in Frage zu stellen. Neben seinem Etat macht's ein Fontán zufolge beispielhaftes spanisches Künstlerförderprogramm möglich.
Seit 1988 schreibt die Stadt Madrid jährlich einen Wettbewerb für junge KünstlerInnen aus. Er heißt „Kreisläufe der bildenden Kunst und Fotografie“ („Circuitos de Artes Plásticas y Fotografía“) und wendet sich sowohl an die AbsolventInnen von Kunsthochschulen als auch an AutodidaktInnen. Eine Jury wählt jeweils aus hunderten von Bewerbungen die ihrer Ansicht nach besten Arbeiten junger KünstlerInnen und finanziert Ausstellungen sowie Kataloge. Im Jubiläumsjahr haben die Verantwortlichen einen Wettbewerbsjahrgang der Geburtsjahrgänge 1967 bis 1972 auf Ausstellungstournee geschickt, die jetzt von Berlin nach Paris führt und zwischendurch unter dem Titel „(Un)gleichzeitig“ in Bremen Station macht.
Das Doppelwort „(Un)gleichzeitig“ soll ganz bewußt auf die Situation in Spanien anspielen. Denn während der Franco-Diktatur waren die KünstlerInnen zeitweise von der Kunstentwicklung in anderen westlichen Ländern abgekoppelt. Doch spätestens in den 80er Jahren, in denen der kulturelle Aufbruch in Spanien überall spürbar war, sind die spanischen KünstlerInnen un-gleichzeitig auf gleiche Themen gestoßen. So lauern hinter vielen ausgestellten Arbeiten vertraute Fragestellungen der Postmoderne, spricht aus anderen das Bekenntnis zur inszenierten Fotografie oder wenden sich wieder andere unverblümt den Readymades zu. Ohnehin, sagt Fontán del Junco, prägen Marcel Duchamp und dessen Readymades noch immer den Kunst-Diskurs. Aber auch diese These läßt sich grenzenlos ausweiten.
Also: Wie lettisch ist die lettische Kunst – oder wie spanisch die spanische? Bei Rabus lassen sich hier und da Bezüge nach Lateinamerika orten und erinnert die Kommode (mit der ausgestopften Ente) an den bizarren Möbel-Geschmack, den Ladenschaufenstern zufolge viele SpanierInnen haben müssen. Doch ansonsten ist Kunst junger SpanierInnen ziemlich dänisch oder kalifornisch. Bemerkenswert allein, warum Fontán, die Galeristin Katrin Rabus und der Chronist am meisten lobend vor den gleichen Bildern – nämlich von Manuel Saro (siehe Abb.) – stehen bleiben. Da muß die Frage wohl lauten: „Wie gut ist gute Kunst?“ Oder: „Welche Kunst wird wieso für gut gehalten?“ ck
„(Un)gleichzeitig“ bis zum 26.11. in der Galerie Rabus (Di.-Fr. 15-18, Sa. 11-13 Uhr); Symposion „Ready Made als Boomerang oder Wie spanisch ist die zeitgenössische spanische Kunst?“ am 21.11 – vorherige Anmeldung dafür unter Tel.: 340 39 11
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