: In den Soundlandschaften Brasiliens
■ Ein furioses Konzert im Quasimodo: Die Erwartungen, die Daude mit ihrer neuen CD geweckt hat, wurden voll erfüllt. Mit schnellen Sprechgesängen und einem erdigen, treibenden Groove zieht die Sängerin Da
„Rap repente“ nennt Daúde die Stücke, in denen sie sich mit dem Gitarristen César Bottinha atemberaubend schnelle Sprechgesangsduelle liefert. Unterstützt von einem hintergründigen HipHop-Beat erinnert Daúde an eine Tradition des brasilianischen Nordostens: den rhythmischen Prosagesang der „Repentistas“, die auf Märkten um die Wette improvisieren – ein brasilianischer Rap, der eigentlich viel älter ist als das US-amerikanische Original.
Die Erwartungen, die Daúde mit ihrer neuen, von Will Mowat produzierten CD geweckt hat, werden am Donnerstag abend vollkommen erfüllt: Der fast weichgespülte Sound der Plattenproduktion wird auf der Bühne zu einem erdigen, treibenden Groove, und aus der androgynen Black Beauty des CD-Covers wird die Power-Sängerin Daúde.
Mit ihrer Coverversion des Miriam-Makeba-Songs Pata Pata zieht Daúde ihr Publikum bereits beim ersten Stück in ihren Bann. Dann durchstreift sie in hohem Tempo die Soundlandschaften Brasiliens. Sie tauchen alle auf, die Rhythmen aus Bahia, der Forro aus dem Nordosten, der Samba Rio de Janeiros und nicht zuletzt brasilianischer Pop und Rock, der schon lange eigene Wege geht. Eingebettet in programmierte Funk-Rhythmen und das groovige Zusammenspiel von Baß, Drums, Keyboard und Gitarre, entsteht Tanzmusik, der sich kaum jemand entziehen kann. Es ist jedoch vor allem die Bühnenpräsenz von Daúdes Gesang, die den Balanceakt zwischen globalem Funkgroove und der musikalischen Vielfalt Brasiliens vermittelt.
Vielfalt findet Daúde nicht nur in den unterschiedlichen Musikern Brasiliens, vielfältig ist auch der Ausdruck ihrer druckvollen, klaren Stimme, der man Nachdenkliches und Witziges ebenso glaubt wie sehnsüchtige Liebeslieder. „Vamos fugir“ – laß uns flüchten, nur uns beide –, heißt es da, oder „vou sair só“ – „heute gehe ich alleine aus, warte nicht auf mich“ –, ein Song von Lenine, der in Brasilien sehr beliebt ist.
Sprachliche Vieldeutigkeiten gehören zu den Qualitäten ihres Repertoires. Z.B. wenn sie mit rauchiger Stimme „A boca sujou“ singt, wobei der „schmutzige Mund“ vieles heißen kann, von einer verschmutzten Flußmündung bis zum Drogenumschlagplatz. Witzig wird es, wenn es um Kakerlaken in einer Absteige geht, denen es mit einer Gummilatsche an den Panzer gehen soll.
Daúde ist in Bahia geboren, kam jedoch schon mit neun Jahren nach Rio de Janeiro. In ihrer Musik pulsiert ein Großstadtbeat, der emotional und rhythmisch aufheizen kann, weil er immer wieder eintaucht in den musikalischen Alltag Brasiliens. Selbstbewußt behauptet Daúde, keine Vorbilder zu haben: „Ich finde, ich gleiche niemandem.“ Das deutsch-brasilianische Publikum dankt es ihr begeistert an diesem Abend. Spätestens bei „Casa Caiada“ tanzt man(n) und frau auch in den Winkeln des Quasimodo.
Daúde und ihrer Band, im besonderen den tanzenden Backvocals, hätte man allerdings mehr Platz auf der Bühne gewünscht. Nach eineinhalb Stunden ohne die übliche Clubpause ist das Publikum bester Laune, und nach diesem furiosen Konzert wird nächstes Jahr hoffentlich ein größerer Veranstaltungsort gefunden. Christiane Gerischer
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