: „Zorro ist kein gutes Beispiel“
■ Fechten ist in Hamburg so beliebt wie Eisstockschießen
Das sportliche Fechten hat nichts vom fatalen Ehrenduell der Kavaliere in der Morgendämmerung und nichts von der Pflichtmensur auf den Paukböden der schlagenden Studentenverbindungen. Es ist ein eleganter, technischer und nüchterner Zweikampfsport. Zusehen mag trotzdem keiner. Hamburger Meisterschaften der Florett-KämpferInnen in der Sporthalle der Gesamtschule Mümmelmannsberg, selbstverständlich bei freiem Eintritt, und: niemand da. Die Fecht-Familie ist unter sich. „Angefeuert zu werden“, erzählt der diesjährige Vize-Meister Klaus-Peter Mahutka, „kennt kaum einer von uns“.
„Daß keiner zuschaut, ist das geringere Übel“, schildert Enno Pieper, seit zwei Jahren Präsident des Hamburger Fecht-Verbandes (HFV), „unsere Probleme liegen ganz woanders. Fechten ist so beliebt wie Eisstockschießen.“ Der Maskensport führt in der Hansestadt nur ein Schattendasein. Die Anzahl der Athleten bleibt seit Jahren überschaubar und hat sich bei rund 800 Aktiven eingependelt, die in 13 Vereinen zur Klinge greifen.
Erst vergangene Woche meldete sich die Abteilung TSV Wedel wegen zu geringer Mitgliederzahl ab. „Ich war zumeist Alleinunterhalter, muß mich nun jedoch um mein Studium kümmern“, schildert Wedels Coach Stephan Kunze die Gründe und unfreiwillig ein Beispiel für das Dilemma des Hamburger Fechtsports. „Es fehlt an ausgebildeten Trainern“, erklärt Enno Pieper. Hieb- und stichfest vermittelt er selber im Fechtclub Rothenbaum den Eleven Wissen, ist aber nur einer von etwa 30 Übungsleitern im Hamburger Raum. Das sei ganz einfach zuwenig. „Das Einzeltrainig ist am effektivsten“, weiß Claas Schmolke, zweiter Vorsitzende des HFV. Kaum ein Verein ist allerdings in der Lage, diese Sonderbehandlung anzubieten.
Gerne erinnert man sich daher an die beinahe unwirklich erscheinenden 80er Jahre zurück, als sich mit Rafael Nickel der letzte große hanseatische Klingenmeister in das Fecht-Mekka Tauberbischofsheim verabschiedete, um Mannschafts-Olympiasieger zu werden. Heutzutage sei es bedeutend schwieriger, neue Mitglieder für das Fechten zu begeistern. „Zorro ist eben kein gutes Beispiel. Wenn die Leute merken, daß der Sport doch nicht so einfach zu lernen und mit einigem finanziellen Aufwand verbunden ist, sind sie schnell wieder weg.“
Die engere Zusammenarbeit mit dem Fechterbund Schleswig-Holstein sowie ein intensiveres Trainingsangebot im Rahmen des Hochschulsports an der Hamburger Uni sind in Planung. „Nur so können wir das Fechten auf lange Sicht attraktiv und konkurrenzfähig machen“, hofft Enno Pieper.
Am kommenden Wochenende werden, wieder in Mümmelmannsberg, die DegenfechterInnen die Planche betreten. Auch dann werden kaum Besucher in der Halle sein. Das Fechten, so anmutig es aussehen mag, ist für die Öffentlichkeit nun einmal ein gesichtsloser, anonymer Sport. Schon allein wegen der Maske.
Oliver Lück
Ergebnisse Florett/Einzel: Frauen: 1. Christiane Wagner (Fechtclub Rothenbaum); 2.Vanessa Overmann (FC Rotherbaum); 3. Janika Schulz (Waldörfer Sportverein); Männer: 1. Dimitri Engelhardt (Harburger Turnerbund); 2. Klaus-Peter Mahutka (FC Rotherbaum); 3. Stephan Pless und Claas Schmolke (beide Oberalster VFW).
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