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Kein Vertrauen, kein Öl

Vor drei Jahren richtete Nigerias Militärregime den Ogoni-Schriftsteller Ken Saro-Wiwa hin. Heute rebelliert Nigerias Ölfördergebiet gegen Shell und Regierung  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – „Kein Zweifel: Ken Saro-Wiwa und seine Organisation haben die Schlacht gewonnen.“ Drei Jahre nach der Hinrichtung des nigerianischen Bürgerrechtlers am 10. November 1995 zieht die oppositionelle Zeitung Tempo eine optimistische Bilanz. „Ken Saro-Wiwas Courage“, so das Fazit, „ist Symbol des Kampfes im Niger-Delta geworden.“

Die Proteste der Bewohner der nigerianischen Ölfördergebiete gegen die ökologischen Folgeschäden der Förderung und ihre Nichtbeteiligung an den Einnahmen daraus haben sich seit 1995 von Saro-Wiwas kleinem Ogoni-Volk auf fast das gesamte Niger-Flußdelta ausgeweitet. Anfang Oktober begann eine Welle von Besetzungen von Ölförderanlagen durch militante Jugendliche des Ijaw-Volkes, größte Ethnie der Region. Bis heute sind von 20 besetzten Anlagen – 15 davon im Eigentum des Ölmultis Shell, gegen dessen Aktivitäten sich auch Ken Saro-Wiwas Protest richtete – erst fünf wieder nach langwierigen Verhandlungen freigegeben worden. Die anderen bleiben besetzt, wobei die Aktionen bewaffneter Ijaw-Jugendmilizen sich vielerorts genauso gegen andere ethnische Gruppen richten, die aus Ijaw-Gebieten vertrieben werden, wie gegen die Ölkonzerne. Vermittlungsversuche der Regierung scheitern regelmäßig, weil die Jugendmilizen die Autorität ihrer eigenen traditionellen Ältesten nicht mehr anerkennen. Auch dies ist ein Erbe der Ogoni- Protestbewegung.

Bis Mitte Oktober – neuere Statistiken gibt es noch nicht – kostete der Ausfall von zeitweise bis zu einem Drittel der Ölproduktion Nigeria bereits über 62 Millionen US- Dollar in entgangenen Exporteinnahmen. Die Summe liegt heute mit Sicherheit um ein Vielfaches höher. Die kriselnde nigerianische Wirtschaft bezieht 95 Prozent ihrer Deviseneinnahmen aus dem Ölexport, und schon am 1. Oktober, vor Beginn der Besetzungen, hatte Staatschef Abdulsalam Abubakar einen Rückgang der nigerianischen Öleinnahmen um ein Viertel wegen des gesunkenen Ölpreises prognostiziert. Schlechtes Wetter hat zugleich die Landwirtschaft gebeutelt, was den Einfuhrbedarf erhöht.

Oppositionelle beantworten die Klagen der Regierung mit dem Hinweis, sie solle lieber die unter dem verstorbenen Diktator Sani Abacha beiseite geschafften Milliarden finden. Daß mit Bukar Ali ein nordnigerianischer Ex-Polizeichef zum neuen Chef der Behörde „Ompadec“ ernannt worden ist, die für die Weiterleitung eines geringen Teiles der Öleinnahmen an die Fördergebiete zuständig ist, erhöht nicht gerade das Vertrauen in Abubakars ansonsten reformfreudige Regierung.

Pünktlich zum Saro-Wiwa-Tag ist nun im Niger-Delta eine weitere Krise ausgebrochen. Die Angestellten mehrerer Shell- Vertragsfirmen sind seit vergangenem Mittwoch im Streik und blockieren Shell-Büros in den Ölhäfen Port Harcourt und Warri. Ihre Klage machen sie auf Transparenten deutlich: „Kein Geld, kein Essen, keine Kraft, keine Arbeit“, heißt es da, oder „Shell: Riese in der Ölausbeutung, Riese in der Menschenausbeutung“. Sie fordern eine Erhöhung ihrer Löhne, die bei umgerechnet unter 100 Mark im Monat liegen, dazu Beteiligung an Shells Gesundheitsversorgung. Shell weist jede Verantwortung zurück mit dem Hinweis, die Streikenden seien Angestellte von Subunternehmern.

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