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Körperlich helfen

■ Hamburger Sozialbehörde plant Einschnitte bei Betreuung von Behinderten

Die Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) plant Einschnitte bei der Betreuung von Behinderten. Das geht aus dem Entwurf für eine neue Richtlinie hervor, der der taz vorliegt. Danach sollen behinderte Menschen, die in ihrer eigenen Wohnung statt in Heimen oder Wohngruppen leben, nur noch Geld für „pädagogische Betreuung im eigenen Wohnbereich“ (PBW) bekommen, wenn sie „in Zukunft und auf Dauer allein leben können“. Sie haben zudem keinen Anspruch mehr darauf, daß ihre BetreuerInnen eine pädagogische Ausbildung haben. Jugendliche unter 18 Jahren sollen gar keine Hilfe auf BAGS-Kosten mehr bekommen und auf Ersatzleistungen ausweichen.

Sie könnten beispielsweise „Hilfen zur Erziehung“ beim Jugendamt beantragen. Die werden jedoch nur gewährt, wenn die Jugendlichen nachweislich unter einem „Erziehungsdefizit“ leiden und nicht etwa unter einer Behinderung. Ein ärztliches Attest ist Bedingung für den Antrag.

Als Alternative bleibt der „Familienentlastende Dienst“ des Sozialamtes. Statt eines Pädagogen, der ausgebildet ist, um Integrationshilfe zu leisten, kommt dann jedoch ein Zivildienstleistender in die Familie. „Hilfe wird so auf rein körperliche Unterstützung reduziert“, kritisiert Uwe Mann van Fezen, Pressesprecher des Rauhen Hauses. Der CDUler Johannes Mertens betrachtet den Plan gar als reine Sparmaßnahme: „Die Richtlinien werden aus rein fiskalischen Gründen eingeführt.“

Die Behörde sieht das anders. „Auch jetzt arbeiten nicht überall pädagogisch ausgebildete Kräfte“, sagt Renate Kurt-Petersen, Leiterin des Amtes für Rehabilitation in der BAGS. „Wir gehen nur auf die Realität ein.“ Das Ziel sei es, die Minderjährigen auf verschiedene Hilfemaßnahmen zu verteilen. „Wir schließen niemanden aus. Es wird nur im Einzelfall geprüft, ob andere Leistungen in Frage kommen.“

Wann die neue Richtlinie in Kraft tritt, ist noch unklar; zunächst muß der Senat darüber abstimmen. Bis zum Jahr 2000 ist eine Übergangszeit geplant, in der Jugendliche noch PBW beantragen können. Rupert Wolf

Heute ab 19.30 Uhr diskutieren VertreterInnen des BAGS mit Behindertenverbänden im Museum der Arbeit über die Pläne

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