: Angst um Job und Konto
Die Bankgesellschaft Berlin will ihre Tochter Berliner Bank zum 1. Januar auflösen – eine Spätfolge der gescheiterten Fusion mit der Norddeutschen Landesbank ■ Von Hannes Koch
Berlin (taz) – Strahlend zelebrierte Vorstandschef Wolfgang Rupf den Aufstieg und die Gesundung der Bankgesellschaft Berlin. Seite an Seite mit seinem Kollegen Manfred Bodin von der Norddeutschen Landesbank (NordLB, Hannover) verkündete er die Fusion der beiden Institute zur viertgrößten Bank Deutschlands. Das war im April. Nur ein halbes Jahr später durchlebt Rupf jetzt die härteste Zeit, seit er Anfang 1997 auf den Chefsessel der Bankgesellschaft berufen wurde. Denn die NordLB hat den Zusammenschluß wider Erwarten abgesagt und Rupf als Reaktion die Liquidierung eines seiner drei Tochterinstitute, der Berliner Bank, zum 1. Januar 1999 angekündigt.
Nun schlagen die Wellen hoch. Der Betriebsrat schäumt. Er wirft Rupf vor, „nicht wiedergutzumachenden Schaden“ angerichtet zu haben. Man befürchtet, daß ein guter Teil der 2.000 Arbeitsplätze, die im Konzern Bankgesellschaft auf der Abschußliste stehen, bei der Berliner Bank wegfallen könnten. Obgleich es noch nicht zu Filialenstürmungen gekommen ist, fragen sich verängstigte KontobesitzerInnen doch, was mit ihrem Geld passiert. Denn die Auflösung eines Geldinstitutes mit 550.000 KundInnen kommt in Deutschland nicht so oft vor.
Die Angestellten in den rund 100 Filialen der Bank in Berlin und Brandenburg reden sich nun die Münder fusselig: Selbstverständlich sei das Geld nicht in Gefahr, die Konten, Filialen und auch der Name „Berliner Bank“ blieben erhalten, nur das Institut verliere seine rechtliche Eigenständigkeit. In Zukunft wird die Bankgesellschaft Berlin – sie gehört zu 56,8 Prozent dem Land Berlin und hatte 1997 eine Bilanzsumme von 354 Milliarden Mark – also nur noch über zwei Töchter verfügen: die Landesbank und die Berlin- Hannoversche Hypothekenbank.
Die Berliner Bank mit ihrer Bilanzsumme von 46,7 Milliarden (1997) ist schon seit längerem das schwarze Schaf in der Familie. Ein erheblicher Teil der 2,5 Milliarden Mark, die die Bankgesellschaft Ende 1996 als Sicherheit für eventuelle Verluste zur Seite legen mußte, war durch faule Kredite der mißratenen Tochter entstanden. Die Vorstände hatten Geld an viele Pleiteunternehmer verliehen, unter anderem an Milchhersteller Moksel sowie die Baukonzerne Maculan und Schneider. Doch nicht nur risikoreiche Geschäfte brachten das renommierte, 1950 in der Mauerstadt gegründete Geldhaus in Schwierigkeiten. Die Umstrukturierungs- und Wirtschaftskrise in Berlin und Brandenburg, den Heimatmärkten des Instituts, sprengte alle Prognosen und brachte die Bank an den Rand des Zusammenbruchs. Vorstandssprecher Rupf wollte ihr deshalb ohnehin die Zuständigkeit für das Großkunden- und Auslandsgeschäft entziehen.
Daß der Vorstand das Institut jetzt gleich ganz auflöst, hat noch eine andere Ursache. Die vier Jahre alte Bankgesellschaft hat ihre eigene Gründung aus den drei vorher unabhängigen Instituten nicht verkraftet. Bei jeder Bilanzpressekonferenz jammert die Führungsriege über die hohen Verwaltungskosten, die nach Expertenmeinung dadurch zustande kommen, daß gleiche Arbeiten in den Teilbanken an zwei oder drei verschiedenen Stellen erledigt werden.
„Das Schmetterlingsfangen im Kohlenkeller“ müsse ein Ende haben, ließ Wolfgang Rupf sich vor wenigen Tagen vernehmen. Warum jetzt diese Eile? Der Grund liegt in der gescheiterten Fusion mit der NordLB. Wäre es zu dem Zusammenschluß gekommen, hätte die Bankgesellschaft die Lösung ihrer hausinternen Probleme zumindest verschieben können. Denn der Aufstieg in die Spitzengruppe der deutschen Bankenliga versprach höhere Einnahmen durch den Verkauf neuer Bankprodukte in größerer Menge. Da die Expansionsstrategie einen Dämpfer erhalten hat, versucht der Vorstand der Bankgesellschaft nun, die Gewinne durch radikale Kostenreduzierung zu steigern.
Daß die Fusion mit der NordLB vor kurzem platzte, nachdem die Chefetagen jahrelang darüber verhandelt hatten, lag unter anderem an dem Unwohlsein, mit dem etwa der Niedersächsische Sparkassen- und Giroverband, neben Niedersachsen ein wichtiger Anteilseigner der NordLB, dem Zusammenschluß mit der Bankgesellschaft gegenüberstand. Die regionalen Sparkassen zwischen Emden und Goslar konnten sich nicht so recht vorstellen, welchen Vorteil sie aus einem international tätigen Bankkonzern ziehen sollten. Als der Aktienkurs des Berliner Instituts im Zuge der weltweiten Finanzkrise in den Keller ging, nahmen die NordLB-Eigner das als Vorwand für den Ausstieg.
Ob die Auflösung der Berliner Bank das Mutterhaus nun nach vorne bringt, bleibt abzuwarten. Denn nach der gescheiterten Fusion bleibt die Bankgesellschaft auf absehbare Zeit auf die wirtschaftlich kränkelnden östlichen Gefilde beschränkt, wo außer maroden Krediten nicht viel zu holen ist. Die Zeiten für Wolfgang Rupf werden nicht einfacher.
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