: Die gnadenlose Präsentation eines Gewinners
■ Die „Grease“-Aufführung am Theater des Westens läuft super, doch das ist auch schon alles
Die Musicalschlacht ist zu Ende, ohne daß der Kampf wirklich stattgefunden hätte. Wolfgang Bocksch hat bekanntlich das Handtuch geworfen, und Helmut Baumanns kleine Intrige gegen seinen kommerziellen Mitanbieter in der Stadt in Sachen Musical, die er sich zum Ende der Intendanz gegönnt hat, scheint ganz erfolgreich gelaufen zu sein.
Die ursprünglich geplante Erstaufführung des Musicals „81/2“ nach Fellinis gleichnamigem Film hatte er kurzerhand für ein paar Monate zurückgestellt, um seinem Kontrahenten mit „Grease“ zuvorzukommen. Stellt sich lediglich die Frage, ob die Anstrengungen um eine eigene Produktion des Rock-'n'-Roll-Musicals von Jim Jacobs und Warren Casey ihre Berechtigung über den Grabenkrieg zwischen Subventions- und Privattheater hinaus haben.
Was in Düsseldorf bereits seit drei Jahren für ein volles Haus sorgte, ist nun mit gleicher Regie und Choreographie an der Kantstraße zu erleben. Zweifellos: „Grease“ läuft nun auch hier wie geschmiert. Das artige Teenager- Lustspiel um erste Küsse, Tanzwettbewerbe, schnelle Autos und kesse Haartollen ist auch hier ein Selbstläufer. Dies jedoch ist vor allem ein Erfolg des Stückes und keineswegs der Inszenierung.
Die Leute wollen die Hits und sind damit zufrieden. Alles schön bunt und bonbonfarben. Schön auch die Bühnenbilder, die sich im Handumdrehen verwandeln lassen, dazu eine Band mit ordentlich Drive im Orchestergraben. Beim Tanzen fliegen die Röcke, und im Saal kommt Stimmung auf. Wenn in den Sportumkleidekabinen die High-School-Jungs nicht nur freien Oberkörper, sondern auch nackten Hintern zeigen, kreischen die Mädels im Zuschauersaal laut auf, als wär man bei den „Chippendales“. Und spätestens zum Zugaben-Medley wird eifrig mitgeklatscht. Da taut dann sogar das recht jung besetzte Ensemble auf und zeigt, was es wirklich kann: tanzen, singen, richtig Spaß haben.
Und man merkt ihnen die Erleichterung an: Endlich keine deutschen Texte mehr! Denn nicht wenige gerade der Hauptrollen sind mit englischsprachigen Sängerinnen und Sängern besetzt, die ihre Texte so artig auswendig gelernt aufsagen, daß es einem die Schuhe auszieht. Von Figurengestaltung, von Charakteren kann nicht die Rede sein.
Die ohnehin schon recht schmalbrüstige Story verliert den Rest an Spannung, und das Interesse an der Geschichte geht vollends flöten. Man ist schon froh, wenn's wenigstens einigermaßen zügig vonstatten geht. Wie sehr sehnt man sich nach den ironischen Brechungen des „Grease“-Films! Hier gibt's nur laue, ziemlich pubertäre Späßchen und alberne Regie- Mätzchen, die die Hilflosigkeit der Akteure nur noch deutlicher machen. Eine Olivia Newton-John oder einen John Travolta gibt's hier absolut nicht zu entdecken. Axel Schock
Bis 31. Dezember, ab 20 Uhr im Theater des Westens, Kantstr. 12a, Charlottenburg
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