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Drei Körbe für die SPD

■ Spätfolge des Unistreiks von 1997: StudentInnen lehnen auf einem Kongreß in Potsdam das sozialdemokratische Bafög-Modell ab und fordern eine elternunabhängige Förderung

Beim Büffett erinnerte sich ein ergrauter GEWler an alte Zeiten. „Mit den Studenten ist heute nichts mehr los. Die waren ja heute richtig brav“, sagte er zu seinen Tischnachbarn aus der Ministerialbürokratie.

Vielleicht hätte er den zweiten Kongreßtag abwarten sollen. Bei der Abschlußrede des brandenburgischen Wissenschaftsministers Steffen Reiche (SPD) erinnerten die Studierenden lautstark an ihre Forderung nach einem elternunabhängigen und bedarfsgerechten Bafög. Ganz so harmonisch, wie die alten Herren glaubten, verlief der bundesweite Bafög-Kongreß, zu dem die brandenburgische Landesregierung in der vergangenen Woche nach Potsdam geladen hatte, also nicht. Schließlich war der Kongreß eine Spätfolge des Uni-Streiks vom vergangenen Winter.

Studierende aus Brandenburg hatten nach einer Demonstration gegen die Bafög-Novelle ihrer Bonner Landesvertretung einen „Spontanbesuch“ abgestattet. Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) sagte ihnen prompt einen gemeinsamen Bafög-Kongreß zu. Doch die Studentenvertreter sahen sich alsbald ausgebootet. Die Sprecherinnen des bundesweiten Dachverbands fzs, Ulrike Gonzales, und der Potsdamer Studierendenvertretung, Sandra Brunner, warfen der Landesregierung vor, sie wolle die Veranstaltung „zu einer SPD-Werbeveranstaltung mit studentischen Feigenblättern umbiegen“. Tatsächlich behandelten die meisten Diskussionen das „Drei-Körbe-Modell“ der Sozialdemokraten. Im ersten „Korb“ steckt dabei ein elternunabhängiges Ausbildungsgeld von 400 Mark monatlich, das alle Studierenden erhalten sollen. Der zweite Korb sieht ein vom elterlichen Einkommen abhängiges unverzinsliches Darlehen in Höhe von 350 Mark vor. In sozialen Härtefällen ist ein weiterer Zuschuß von höchstens 300 Mark möglich.

Einen Fortschritt sahen die StudentInnen bei diesem Modell allenfalls darin, daß ein Teil des Bafög nicht mehr vom Elterneinkommen abhängen soll. Doch sei der SPD-Vorschlag nicht bedarfsdeckend. Zudem orientiere er sich zu stark an einer studentischen Normalbiographie. Die Bedürfnisse von Müttern mit Kindern berücksichtige er zum Beispiel nicht. Statt dessen forderten die StudentInnen den Einstieg in eine allgemeine soziale Grundsicherung. Dann könnten Studierende nicht mehr gegen Arbeitslose oder SozialhilfeempfängerInnen ausgespielt werden. Einig waren sich alle VeranstalterInnen, daß die Bafög-Rückzahlungen von knapp einer Milliarde Mark in die Finanzierung der Bafög-Reform zurückfließen müssen. Immerhin, so freute sich ein Sprecher der Potsdamer StudentInnen, habe der Kongreß „ein Einschwören auf das Drei-Körbe-Modell verhindert“. Peter Nowak

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