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Der Präsident als nationaler Watschenmann

Die angebliche Agentenaffäre um Wiens ehemaligen Bürgermeister Zilk könnte Teil eines Komplotts gegen Tschechiens Staatsoberhaupt Havel sein. Der frühere Dissident widerspricht sich inzwischen selbst  ■ Aus Prag Alexandra Klausmann

War der ehemalige Bürgermeister von Wien, Helmut Zilk, einst ein bezahlter Spitzel des tschechoslowakischen Geheimdienstes? Diese Frage beschäftigt seit mittlerweile drei Wochen die Öffentlichkeit in Tschechien und Österreich. Zuerst hatte die Süddeutsche Zeitung (SZ) behauptet, der heute 71jährige sei in den 50er und 60er Jahren für den Staatssicherheitsdienst der ČSSR tätig gewesen. Darauf schrieb der frühere Vorsitzende des tschechischen Amtes zur Untersuchung und Dokumentation der Verbrechen des Kommunismus, Václav Benda, an Tschechiens Präsidenten Václav Havel, er habe „beglaubigte Informationen“, daß der damals als Journalist für das Österreichische Fernsehen tätige Zilk „erst ein Vertrauter und dann ein Agent der Ersten Division des tschechoslowakischen Geheimdienstes war“. Havel, der Zilk eigentlich einige Tage später den höchsten tschechischen Orden, den Weißen Löwen, verleihen wollte, lud das Stadtoberhaupt im Ruhestand hastig wieder aus.

Doch inzwischen mehren sich Zweifel an der Agentengeschichte. Erst erklärte Ladislav Bittmann, der angebliche Führungsoffizier Zilks, dieser habe sich zwar öfters mit tschechoslowakischen Agenten getroffen, aber wohl nichts von deren wahrer Tätigkeit gewußt. Und am vergangenen Wochenende sagte auch Präsident Havel, der tschechische Staat sei mit der Affäre Zilk in eine „Falle“ gelaufen – wer diese gestellt haben soll, erwähnte er jedoch nicht.

Angesichts dieser Widersprüche haben Konspirationstheoretiker Hochsaison: Dunkle Mächte hätten den Skandal inszeniert, um Havel ein Bein zu stellen, lautet eine Version. Ein Fernsehsender, dessen Abneigung gegenüber Havel bekannt ist, habe schon länger von den Anschuldigungen gegen Zilk gewußt, sie aber zurückgehalten, um nach der Ordensverleihung den Präsidenten bloßzustellen, schreibt die SZ. Irgend jemand wolle Havel schaden, empören sich Österreichs ehemalige Innenminister Ohla und Soronics.

Hauptadressat für solche Vorwürfe ist TV Nova. Die tschechische Antwort auf RTL hat Havel schon oft verärgert. Dadurch ist der Sender zum bevorzugten Sündenbock der Prager Burg geworden – stolpert der Präsident in ihren langen Gängen, hat TV Nova ihm ein Bein gestellt. Als Anfang Oktober ein Buch mit Gerüchten über ein angebliches Verhältnis der Präsidentengattin Dagmar Havlova zu ihrem Privatsekretär Prager Klatschtanten ihren Kaffee versüßte, konnte natürlich nur Nova dahinterstecken. Der Sender wolle ihren Mann erpressen, den wegen Vergewaltigung verurteilten Sohn von Nova-Boss Zelezny zu begnadigen, keifte Havlova Reporter an.

„Havel nimmt uns übel, daß wir uns für seine Familie interessieren“, meint Jan Vavra, Nachrichtendirektor des Senders. In der tschechischen Medienlandschaft ist schwer zwischen Yellow Press und seriösen Medien zu unterscheiden. Auch respektierte Zeitungen haben einen Hang zu Sensationsberichten. So nahm allein das Gerücht um eine Affäre der First Lady die Titelseiten sämtlicher Tageszeitungen ein, und das zu einer Zeit, als den größten Banken der Kollaps drohte und die Bauern als Protest gegen Billigimporte bereits Barrikaden bauten.

„Es gibt hier kein Medium, das ausgesprochen pro Havel ist“, meint Petr Prihoda, Universitätsdozent für Ethik und Kenner Havels. Der Präsident habe ein schwieriges Verhältnis zu den Medien. Das sei schon daran zu erkennen, daß er es vermeide, Journalisten in die Augen zu schauen. „Ich schätze meinen Präsidenten“, erklärt TV-Nova-Reporter Martin Grmela. Nur stehe der zu sehr unter dem Einfluß seiner Berater. „Kritiker hat Havel auch zu Dissidentenzeiten nicht gerne um sich gehabt“, erinnert sich Prihoda, „schon damals hat er sich in sakralem Raum bewegt.“ Deshalb habe er solche Schwierigkeiten, sich mit so etwas Profanem wie den Medien abzugeben.

Diese haben Havel jetzt in den Sumpf politischer Affären und unbewältigter Vergangenheit gestürzt. Was zum Berufsrisiko eines Präsidenten gehört, muß aber nicht von unbekannten Größen oder ränkeschmiedenden Medienmoguln inszeniert worden sein. Petr Prihoda ist sich sicher, daß hier keine große Intrige gesponnen wird. „Die Tschechen sind ein pragmatisches Volk, das sich nicht mit Havels sakralem Charisma identifizieren kann. Und dafür bestraft es ihn bei jeder Gelegenheit.“

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