: In den Amtsstuben soll Öko-Glasnost aufkommen
■ Rot-Grün will den Zugang zu Umweltinformationen erleichtern: Die Aarhus-Konvention der Europäischen Union soll unterzeichnet und das Gesetz über Öko-Infos geändert werden
Berlin (taz) – Die Behörden gaben sich bislang zugeknöpft: Als Tester der Zeitschrift Öko-Test vor drei Jahren bei allen 445 Umweltämtern der Republik nach der Qualität von Trinkwasser und nach Altlasten fragten, wiegelten die Öko-Beamten ab. Vierzig Prozent ignorierten die Antwortfrist von zwei Monaten, nur jede vierte Anfrage wurde vollständig beantwortet. Jeder achte Sachbearbeiter weigerte sich, Auskunft zu geben – obwohl er dazu von Rechts wegen längst verpflichtet war.
Das soll in Zukunft nicht mehr passieren. Denn Rot-Grün will den Zugang zu Umweltdaten und zu Umweltverwaltungsverfahren wesentlich erleichtern. Noch im August hatte sich Umweltministerin Angela Merkel (CDU) geweigert, die sogenannte Aarhus-Konvention der EU, mit der die BürgerInnen an der Planung im Umweltbereich beteiligt werden sollen, mitzuzeichnen. Ihr Nachfolger Jürgen Trittin (Bündnis 90/Grüne) will ihr nun Geltung verschaffen. „Deutschland wird in diesem Bereich zukünftig der internationalen Entwicklung nicht mehr hinterherhinken“, erklärte Umweltstaatssekretär Rainer Baake.
Auch das Umweltinformationsgesetz (UIG) soll nach den Plänen der neuen Regierung reformiert werden, um die Hindernisse bei der Freigabe von Umweltdaten abzubauen, heißt es aus dem Umweltministerium. Damit kommt die Bundesregierung Forderungen der EU nach, die bereits seit Jahren darauf drängt, daß Deutschland die EU-Richtlinien über den leichteren Zugang der BürgerInnen zu Umweltinformationen und Behördenverfahren umsetzt. Anfang Dezember ist ein Treffen zwischen Trittin und der EU-Kommissarin für Umwelt, Ritt Bjerregaard, angesetzt, bei dem „die verschiedenen Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland sortiert und Lösungen dafür gefunden werden sollen“, heißt es aus dem Ministerium. Bei einer EU-konformen Regelung könnte die Kommission die Klage gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zurückziehen, stellte Jan Bongaerts von der EU-Kommission gegenüber der taz in Aussicht.
Seit Jahren sähen sich Umweltverbände einem „sehr preußischen Verwaltungsdenken“ gegenüber, sagte Thomas Lenius vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Vor allem mit drei Hebeln habe die Verwaltung die Neugier von Umweltschützern gebremst: „Entgegen der ausdrücklichen EU-Vorschriften wurde auch die Arbeitszeit der Beamten bei der Beantwortung einer Anfrage berechnet“, so Lenius. Die EU gestehe aber nur Materialkosten etwa für Kopien und Disketten zu. Außerdem habe sich die Regierung geweigert, Umweltdaten von Dritten, wie etwa von Polizei und Staatsanwaltschaft, zu veröffentlichen. Und schließlich eröffne das UIG die Chance, eine Auskunft mit dem Hinweis auf „behördeninterne Abstimmungen und laufende Verfahren“ abzulehnen. „Dabei liegen die Knackpunkte, die Behörden gern vertuschen, genau in diesen Beratungen“, so Lenius. Oft werde auch der Datenschutz als Verweigerungsgrund angegeben, obwohl es nicht um personenbezogene Daten oder Interna der Firmen gehe.
Laut Aarhus-Konvention dürfen Umweltinformationen nur aus besonderen Gründen verweigert werden: Die Behörde besitzt die Information gar nicht, die Anfrage ist zu allgemein formuliert, offensichtlich unbegründet oder betrifft einen Vorgang kurz vor seinem Abschluß oder verstößt gegen vitale Sicherheitsinteressen des Staates, den Datenschutz oder Betriebsgeheimnisse. Die Definition dieser Gründe muß restriktiv gehandhabt werden. Auch soll die Öffentlichkeit frühzeitig in den Entscheidungsprozeß eingebunden werden.
Bereits im Juni hatte der EuGH in Luxemburg festgestellt, daß das UIG gegen geltendes europäisches Recht verstößt. In einem Verfahren um Einsicht in ein Gutachten zum Straßenbau bei Hamburg befand das oberste europäische Gericht, die Stellungnahme der Landschaftspflegebehörde müsse veröffentlicht werden. Grundsätzlich müßten Behörden auf Anfrage auch Informationen zur Verfügung stellen, die sie während eines Verfahrens gesammelt haben. Bernhard Pötter
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