: Chile
„Die Demokratie muß gelegentlich in Blut gebadet werden, damit sie fortbestehen kann.“ Der chilenische General Augusto Pinochet setzte seine absurde Devise von 1973 bis 1989 konsequent um. Der Militärputsch gegen den gewählten Präsidenten Salvador Allende vom 11. September 1973 ist für Pinochet bis heute die Rettung vor dem Kommunismus.
Zum Sturz Allendes und unmittelbar danach gehen die Militärs mit für Chile bis dahin beispielloser Gewalt vor. Sie bombardieren den Präsidentenpalast und lassen eine Universität beschießen. 200 Studenten sterben. Hunderte von Arbeitern, Intellektuellen und linken Parteimitgliedern werden als Anhänger Allendes getötet. Nachts ziehen Säuberungskommandos durch die Straßen und terrorisieren die Bevölkerung.
Insgesamt fallen der Diktatur in 16 Jahren über 3.500 Menschen zum Opfer. Zehntausende werden verhaftet und gefoltert. Rund 850 Oppositionelle verschwinden spurlos. Etwa eine Million Chilenen emigrieren.
Chiles Demokratie funktionierte seit 1932 bruchlos. Aufgrund gesellschaftlicher Gegensätze, wirtschaftlicher Krisen und sozialer Unruhen hat bereits Allendes christdemokratischer Vorgänger Eduardo Frei in den sechziger Jahren Großgrundbesitzer enteignet und Kupferminen staatlicher Kontrolle unterstellt.
Allende wird mit einem weit radikaleren Programm 1970 zum Präsidenten gewählt. Er ist Hoffnungsträger für Millionen Menschen und verspricht einen pluralistischen Sozialismus. Seine humanistische Gesinnung und seine bedingungslose Verfassungstreue machen ihn legendär.
Pinochet verwandelt das Land in eine Entwicklungsdiktatur. Parteien und Presse werden verboten, Oppositionelle verfolgt und alle Reformen rückgängig gemacht.
1980 läßt Pinochet sich nach einer auf ihn zugeschnittenen Verfassung zum Präsidenten wählen. Der ultraliberale Wirtschaftskurs ruiniert nach kurzer Blüte die Industrie. Mitte der 80er Jahre nehmen Proteste zu. Aber auch neuer Terror kann die Opposition gegen das Regime nicht brechen.
Im Oktober 1988 verliert Pinochet das Referendum zu einer neuen Amtszeit. Daraufhin plant er seinen Rückzug. Ein Jahr später beginnt mit der Wahl Patricio Aylwins zum Präsidenten ein Demokratisierungsprozeß. Pinochet bleibt bis 1997 Oberbefehlshaber der Armee und der starke Mann im Hintergrund. Das Militär und sein Status als Senator auf Lebenszeit schützen ihn in Chile vor Strafverfolgung.
Wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde Pinochet aufgrund eines internationalen Haftbefehls des spanischen Richters Baltasar Garzon Ende Oktober in England festgehalten. Ob er diplomatische Immunität für sich beanspruchen kann, ist umstritten. Tobias Baumann
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