: Singende Plastiktüten
■ Kein Pathos, keine Pappnasen: der Literaturclub „Abenteuer Absurd“
Dichter und zahlende Gäste gehören nun mal ins Café. Wenn beide aufeinandertreffen und deutlich unter 80 sind, ist das Ergebnis meist eine Art Event. Oder, wie am Donnerstag im Café Absurd, doch eine Lesung. Daß sich Hamburger Literaturveranstaltungen nicht im Vorlesen erschöpfen, ist bekannt. Von Musik über Multimediaquark bis zum Alkoholexzeß – alles schon dagewesen, und vieles hinterließ neben schweren Schäden auch bleibende Eindrücke. Nun gibt es mit Abenteuer Absurd einen neuen monatlichen Club, und es zeigt sich, daß einige ernstzunehmende Schriftsteller des Gekaspers langsam müde werden. Die Reihe will sich wieder mehr der Literatur als den Pappnasen widmen.
Verantwortlich zeichnen zwei Autoren mit reichlich Erfahrung. Folko Hülsenbusch ist Veranstalter des Writers' Room, Tina Uebel übt das gleiche Amt bei Hamburg ist Slamburg aus und gehört dem Verlag Edition 406 an. Vorgestellt wurde die Zeitschrift Côté obscure, geistiges Kind des ebenfalls dichterisch umtriebigen Alexander Posch. Der allerdings war abgängig und ließ sich von seiner Schwägerin sowie den beteiligten Autoren vertreten. Thorsten Passfeld, Lars Dahms, Michael Weins, Tina Uebel und Gordon Roesnik lasen Berichte von den „dunklen Seiten“ ihrer Dichterseelen. Passfeld bewies überdies, daß er zwar schreiben, aber keineswegs Gitarrespielen kann, doch damit war der alberne Teil auch schon erledigt.
Die Finsternis im Inneren der Dichter hält sich in Grenzen, wie sie selbst zugeben mußten. Sie haben sich diesmal nur mit ernsteren Dingen befaßt. Entstanden ist eine lesenswerte Mini-Anthologie. In den Kurzgeschichten trifft gewohnt obskures Personal wie fliegende Rochen, singende Plastiktüten, Pilze und Weltraumschaum auf Themen wie Einsamkeit oder Tod. Weins Zucker etwa ist eine gänzlich unpathetische, dafür um so zärtlichere Liebeserklärung an die Großmutter – ein Glanzstück, das allein schon den Kauf lohnt.
In Zukunft soll das Café eher Schauplatz von Einzellesungen werden. Das nächste Abenteuer Absurd stellt aber erst einmal Absynnd vor: ein weiteres Fachblatt, herausgegeben von Dierk Hagedorn und Tanja Selzer. Die Literatur stammt wieder von den „üblichen Verdächtigen“ – die sich bekanntlich auf immer neue Überraschungen verstehen.
Barbora Paluskova
Absynnd-Präsentation: Do., 3. Dezember, 20 Uhr, Café Absurd, Clemens-Schultz-Str. 84.
„Côté obscure“ ist für fünf Mark zu beziehen über appoche, Caspar-Voght-Str. 46, 20535 Hamburg
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