: Mord auf Bestellung von Ceauçescu
Erstmals hat der Chef der rumänischen Militärstaatsanwaltschaft offiziell bestätigt, daß der Terrorist Carlos Anschläge im Auftrag des Geheimdienstes Securitate verübte. Dessen Ex-Vize schweigt hartnäckig ■ Aus Bukarest Keno Verseck
Als deutsche Ermittler 1995 bei rumänischen Behörden anfragten, ob und welche Verbindungen Ceaușescus berüchtigter Geheimdienst Securitate zu Carlos und seiner Terroristengruppe unterhalten hatte, bekamen sie eine trockene Antwort: Zwischen der Securitate und der Carlos-Gruppe habe es nur wenige protokollarische Kontakte gegeben. Diese hätten nur dazu gedient, Rumänien vor Carlos-Anschlägen zu schützen. Die Securitate hätte Carlos weder unterstützt noch Aufträge erteilt.
Die Mitteilung, verfaßt von Militärstaatsanwälten und vom damaligen Chef des Securitate-Nachfolgedienstes SRI, Virgil Magureanu, war glatt gelogen. Die Securitate hatte beim seinerzeit meistgesuchten Terroristen in den achtziger Jahren mehrfach Anschläge bestellt – auf Wunsch des 1989 gestürzten Diktators Nicolae Ceaușescu. Carlos bekam dafür nicht nur Honorare in Millionenhöhe gezahlt. Um die Beziehungen mit Carlos zu pflegen, stattete die Securitate ihn und seine Leute auch mit Reisedokumenten, Waffen, Munition und Sprengstoff aus.
Diese längst vermutete Version der Beziehungen zwischen der Securitate und der Carlos-Gruppe ist in Rumänien jetzt erstmals offiziell bestätigt worden. Gegenüber der taz sagte der Chef der rumänischen Militärstaatsanwaltschaft, General Dan Voinea, der auf rumänischer Seite die Untersuchungen über die Verbindungen zwischen Carlos und der Securitate leitet, Carlos habe auf Wunsch Ceaușescus unter anderem den Anschlag auf „Radio Freies Europa“ in München am 21. Februar 1981 ausgeführt. Carlos sei auch für andere Aktionen gegen rumänische Ceaușescu-Gegner im Ausland verantwortlich gewesen, etwa den in Paris lebenden Schriftsteller Paul Goma. Für das Attentat auf Radio Freies Europa habe Ceaușescu eine Million Dollar gezahlt.
Das Bankkonto, auf das die Summe überwiesen wurde, existiert noch. Laut Voinea ist es auf den Namen von Carlos' vierter Lebensgefährtin Magdalena Kopp eingetragen und weist derzeit einen Saldo von 1.000 Dollar auf. Auch soll von dem Konto in den vergangenen Jahren noch Geld abgehoben worden sein. Voinea wollte zwar die kontoführende Bank nicht nennen. Doch es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die rumänische Außenhandelsbank BRCE, die vor 1989 alle Finanzangelegenheiten der Securitate abwickelte.
Voinea bestätigt auch, was der Ex-SRI-Chef Virgil Magureanu auf Anfrage deutscher Ermittler abgestritten hatte: Die Securitate half beim Anschlag auf das „Maison de France“ in West-Berlin am 23. August 1983 mit. Der als Carlos-Stellvertreter geltende Johannes Weinrich, der derzeit in Berlin wegen des Anschlages auf das „Maison de France“ vor Gericht steht, soll 1982 von Rumänien aus mit 24 Kilogramm Sprengstoff nach Ost-Berlin gereist sein. Den Sprengstoff, Nitropenta, laut Voinea von der Securitate gestellt, soll er in der syrischen Botschaft in Ost-Berlin deponiert und dann bei dem Anschlag auf das „Maison de France“ verwendet haben.
Doch darin erschöpften sich die Dienste der Securitate für Carlos nicht. Auf Anweisung von Ceaușescu soll die Securitate Carlos ein ganzes Waffenarsenal zur Verfügung gestellt und bei der Fälschung ausländischer Reisepässe geholfen haben. Außerdem soll die Terroristengruppe um Carlos über ein Trainingslager bei dem Karpatendorf Dejani verfügt haben.
Gegenüber deutschen Ermittlern schwieg sich der Ex-Geheimdienstchef Virgil Magureanu offenbar aus, um ehemalige Securitate-Offiziere zu schützen. So etwa arbeitete der 1995 verstorbene einstige rumänische Carlos-Kontaktmann Sergiu Nica, in den Notizen von Johannes Weinrich unter dem Decknamen Sergiu Nitescu aufgeführt, nach 1989 weiter in Securitate-Nachfolgegeheimdiensten. Belangt werden könnte heute noch der Ex-Securitate-Stellvertreter und Chef der Auslandsspionage, General Nicolae Plesita. Der zweite Mann der Securitate empfing Carlos häufig, bestellte im Auftrag Ceaușescus Anschläge gegen Ceaușescu-Kritiker und ordnete die Ausstattung der Carlos- Gruppe mit Reisedokumenten, Waffen und Sprengstoff an.
Plesita hält sich zur Zeit bedeckt. In seiner Bukarester Luxus- Villa sind die Läden heruntergelassen. Hier ist das das Telefon ebenso abgestellt wie in Plesitas Landsitz im Kreis Arges nordwestlich von Bukarest. Auch der Securitate-Nachfolgedienst SRI schweigt darüber, warum sein Ex- Chef vor drei Jahren falsche Angaben gegenüber deutschen Ermittlern machte. Aus gutem Grund: Erst vor wenigen Tagen waren in Bukarest französische Beamte zu Gast. Sie prüfen, ob Ex-Securitate- Offiziere für die Beteiligung an terroristischen Aktivitäten von Carlos angeklagt werden können.
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